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Risikoanalyse

Die Risikobeurteilung als Grundlage der Betriebsanleitung

Die Risikobeurteilung seiner Produkte ist für jeden Maschinenhersteller verpflichtend und als Teil des Konformitätsbewertungsverfahrens gesetzlich vorgeschrieben. Das Ergebnis der Risikobeurteilung ist eine wichtige Arbeitsgrundlage für den technischen Redakteur, z.B. beim Abfassen der Betriebsanleitung. Dazu muss die technische Redaktion jedoch eine abgeschlossene Risikobeurteilung formal vorliegen haben. Es ist nicht vorgesehen, dass die technische Redaktion selbst die Risikobeurteilung übernimmt.

Nur technisch kompetente und qualifizierte Personen, typischerweise Ingenieure, sollten mit der Erstellung der Risikobeurteilung einer Maschine betraut werden. Dieses Verfahren darf nicht an die technische Redaktion oder Dokumentation übergeben werden. Deren Aufgabe ist, anhand der Ergebnisse der Risikobeurteilung die relevanten Sicherheitsaspekte in die Betriebsanleitung aufzunehmen. Schaut man sich die rechtlichen Hintergründe an, wird dies schnell deutlich.

Welche Rechtsgrundlagen gelten für die Erstellung einer Betriebsanleitung?

Produktsicherheitsgesetz (ProdSG)

Im Produktsicherheitsgesetz heißt es in § 3 Allgemeine Anforderungen an die Bereitstellung von Produkten auf dem Markt (4):

Sind bei der Verwendung, Ergänzung oder Instandhaltung eines Produkts bestimmte Regeln zu beachten, um den Schutz von Sicherheit und Gesundheit von Personen zu gewährleisten, so ist bei der Bereitstellung auf dem Markt eine Gebrauchs- und Bedienungsanleitung für das Produkt in deutscher Sprache mitzuliefern, sofern in den Rechtsverordnungen nach § 8 keine anderen Regelungen vorgesehen sind.

In § 28 Bußgeldvorschriften heißt es:

Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 3 Absatz 4 eine Gebrauchs- und Bedienungsanleitung nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig mitliefert“.

Wie soll eine Betriebs- oder Gebrauchsanleitung vollständig sein können, wenn nicht zuvor alle Sicherheitsrisiken betrachtet wurden?

Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG)

Das Produkthaftungsgesetz sagt in § 3:

Ein Produkt hat einen Fehler, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere
a) seiner Darbietung,
b) des Gebrauchs, mit dem billigerweise gerechnet werden kann,
c) des Zeitpunkts, in dem es in den Verkehr gebracht wurde,
berechtigterweise erwartet werden kann.

Unter „Darbietung“ fallen nicht nur Werbeprospekte, sondern auch Bedienungsanleitungen, Gebrauchsanleitungen, Montage- und Wartungsanleitungen. Wenn etwa in einer Bedienungsanleitung Sicherheitshinweise fehlen oder missverständlich „dargeboten“ werden, kann ein Verstoß gegen das Produkthaftungsrecht vorliegen.

Maschinenrichtlinie 2006/42/EG

Die Betriebsanleitung ist ein Teil der Technischen Dokumentation gemäß Anhang VII der Maschinenrichtlinie. Was als Mindestangaben für die Betriebsanleitung gefordert wird, ist im Anhang I, Kapitel 1.7.4.2 nachzulesen, und zwar u. a.:

  • die EU-Konformitätserklärung
  • eine Beschreibung der bestimmungsgemäßen Verwendung der Maschine
  • Warnhinweise in Bezug auf Fehlanwendungen der Maschine, zu denen es erfahrungsgemäß kommen kann
  • Angaben zu Restrisiken, die trotz der Maßnahmen zur Integration der Sicherheit bei der Konstruktion, trotz der Sicherheitsvorkehrungen und trotz der ergänzenden Schutzmaßnahmen noch verbleiben;
  • eine Anleitung für die vom Benutzer zu treffenden Schutzmaßnahmen, gegebenenfalls einschließlich der bereitzustellenden persönlichen Schutzausrüstung;
  • Sicherheitshinweise zum Transport, zur Handhabung und zur Lagerung
  • das bei Unfällen oder Störungen erforderliche Vorgehen
  • (falls es zu einer Blockierung kommen kann) wie zum gefahrlosen Lösen der Blockierung vorzugehen ist
  • Anweisungen zum sicheren Einrichten und Warten einschließlich der dabei zu treffenden Schutzmaßnahmen
Risikobeurteilung als Grundlage für die Betriebsanleitung
Hinweise an der Maschine und in der Betriebsanleitung warnen vor Restrisiken; Bildquelle: Thinkstock

Warum benötigt der technische Redakteur eine vollständige und abgeschlossene Risikobeurteilung?

Schon allein diese (unvollständige) Auflistung zeigt, dass eine rechtskonforme Betriebsanleitung erst erstellt werden kann, wenn die Risikobeurteilung vorliegt, die Restrisiken definiert sind, Schutzmaßnahmen gefunden, das Vorgehen bei Unfällen oder Störungen festgelegt wurde usw. Der technische Redakteur kommt daher erst ins Spiel, wenn die Risikobeurteilung als Bestandteil der technischen Unterlagen in der internen technischen Dokumentation vorliegt. Er hat dann die Aufgabe, anhand der Befunde der Risikobeurteilung

  • die Kapitel zu Sicherheit und Restrisiken zu verfassen,
  • Schutzmaßnahmen für Bedienung und Wartung zu nennen,
  • handlungsbezogene Warnhinweise zu formulieren

und all die in Anhang I der MRL geforderten Angaben zusammenzustellen.

Die Betriebsanleitung kann erst erstellt werden, wenn die Risikobeurteilung abgeschlossen ist und als formal aufgebautes Dokument zur Verfügung steht. Jedes andere Vorgehen wäre wenig sinnvoll, denn die Betriebsanleitung muss die Ergebnisse der Risikobeurteilung berücksichtigen.

Auch die DIN EN ISO 12100 „Sicherheit von Maschinen“, welche u.a. Leitsätze zur Risikobeurteilung und Risikominderung aufstellt, richtet sich in erster Linie an Konstrukteure. Auch wenn es nirgendwo explizit festgeschrieben steht, stimmen die Experten darin überein, dass die Konstrukteure hinsichtlich der für eine rechtskonforme Betriebsanleitung notwendigen Angaben in einer Art Bringschuld stehen.

Warum sollte nicht die technische Redaktion die Risikobeurteilung erstellen?

In seinem Fachbeitrag „Risikobeurteilung – die Basis jeder Anleitung“ für das Werk CE-Kennzeichnung nach Maschinenrichtlinie geht der Autor Ulrich Thiele ausführlich darauf ein, wie der technische Redakteur die Risikobeurteilung verwendet. Er gibt dazu u.a. folgende Hinweise, die nicht nur für den technischen Redakteur lesenswert sind:

  • Das Erstellen und Pflegen der Risikobeurteilung ist eine Entwicklungs- und Konstruktionsaufgabe. Daher muss sie von den Entwicklern und Konstrukteuren durchgeführt werden.
  • Auch wenn es in der Praxis immer wieder vorkommt, ist es nicht im Sinne der Maschinenrichtlinie und der nationalen Regelungen, dass ein technischer Redakteur mit der Erstellung der Risikobewertung betraut wird. Denn es geht dabei um Fragen der Sicherheit und nicht darum, möglichst schnell den Text für ein Stück Papier zu verfassen. Von einem technischen Redakteur kann nicht erwartet werden, dass er über das notwendige Fachwissen, Erfahrung und Kompetenz verfügt, um konstruktive Änderungen, die der Sicherheit dienen, vorzuschlagen und in der Konstruktion zu beauftragen.
  • Eine sinnvolle Lösung ist, wenn Konstrukteure und Entwickler beim Erstellen der Risikobeurteilung zusammenarbeiten und gleichzeitig ein technischer Redakteur mit am Tisch sitzt. Dieser wird dadurch mit dem formalen Vorgehen vertraut und bestens gerüstet, die Betriebsanleitung und andere Dokumente rechtskonform zu erstellen.
  • Es ist meist wenig sinnvoll, die Risikobeurteilung an einen externen Dienstleister zu übergeben. Dieser ist den Konstrukteuren gegenüber nicht weisungsbefugt.
  • Haben Sie als technischer Redakteur den Verdacht, dass die Konstruktion Sicherheitsmängel aufweist, und finden Sie keine Einigung mit der Konstruktionsabteilung, sollten Sie Ihren Verdacht zum Selbstschutz unbedingt aktenkundig machen.
  • Wird eine Maschine nachträglich erweitert, umgebaut, umgerüstet oder anderweitig verändert, müssen Sie die Risikobeurteilung erneut vornehmen und und ggf. ergänzen.
  • Alle Dokumente der Risikobeurteilung sollten Sie in Ihrer internen technischen Dokumentation sammeln und rechtssicher archivieren.

Last not least: In die Benutzerinformation gehören nur technisch unvermeidbare Restrisiken. Es ist nicht zulässig, wenn Entwickler und Konstrukteure alle Sicherheitsmängel auf die Betriebsanleitung „abwälzen“ wollen.

Alle relevanten Informationen zu Risikobeurteilung, Risikoanalyse und Risikobewertung finden Sie hier.

6 Antworten auf „Die Risikobeurteilung als Grundlage der Betriebsanleitung“

Sehr geehrter Herr Frenzel,

die CE-Vorschriften regeln jeweils, was der Hersteller an den Kunden übergeben muss. In der Regel ist das neben dem Produkt selbst eine Betriebsanleitung und bei manchen Produkten (z.B. Maschinen oder Funkanlagen) die Konformitätserklärung.
Auch wird in den CE-Vorschriften geregelt, welche Technischen Unterlagen der Hersteller erstellen muss. Dazu gehört zum Beispiel eine Risikobeurteilung (sh. z.B. Anhang VII MRL). Diese Technischen Unterlagen sind auf begründetes Verlangen den Marktaufsichtsbehörden vorzulegen.

Es gibt also keine gesetzlich Pflicht, einem Kunden die Risikobeurteilung auszuhändigen. Einen solchen Anspruch hat der Kunde nur, wenn er das z.B. vertraglich mit Ihnen vereinbart hat.

Für Rückfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Stephan Grauer

Wir möchten in unseren Prozessen einen externen Dienstleister mit einbeziehen, der sich um Risikobeurteilungen, Maschinenbaurichtlinien (EU) kümmert.
Wir sind nach DIN ISO 2001:2015 zertifiziert im Verbund über unseren Verband. Diesen Bereich haben wir bisher vernachlässigt und dementsprechend haben wir bei den Audits /TÜV unsere Probleme. Könnten sie sich mit uns in Verbindung setzen, wenn möglich sehr zeitnah.

Sehr geehrte Frau A.,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Wir haben ein Netzwerk von Experten zur CE-Kennzeichnung und Risikobeurteilung. Darunter auch Berater in Ihrer Nähe.

Bitte kontaktieren Sie mich doch am besten einmal telefonisch, dann können wir uns hier entsprechend abstimmen.

Mit freundlichen Grüßen

Stephan Grauer
Produktmanager PC Produktsicherheit / CE-Koordinator

WEKA MEDIA GmbH & Co. KG
Römerstraße 4
86438 Kissing
Fon +49 8233 23-7101
Fax +49 8233 23-57101
E-Mail Stephan.Grauer@weka.de

Sehr geehrte Damen und Herren,

in welcher Sprache muss das Dokument der Risikobewertung verfasst werden?
Muss das Dokument der Risikobewertung wie bei der Konformitätserklärung in der jeweiligen Landessprache, in der die Maschine zum Einsatz kommt verfasst werden? Kann ich von einem spanischen Hersteller eines Bearbeitungszentrums die Dokumentation der Risikobewertung in Deutsch verlangen?

Für Ihre Bemühungen besten Dank im Voraus, Thomas Wiesner

Sehr geehrter Herr Wiesner,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

1. In welcher Sprache muss das Dokument der Risikobewertung verfasst werden? Muss das Dokument der Risikobewertung wie bei der Konformitätserklärung in der jeweiligen Landessprache, in der die Maschine zum Einsatz kommt verfasst werden?

In der Maschinenrichtlinie ist Folgendes zu den technischen Unterlagen (zu den auch die Risikobeurteilung zählt) geregelt:
„Anhang VII Teil A Absatz 1 besagt außerdem, dass die technischen Unterlagen in einer oder mehreren Amtssprachen der EU abgefasst sein müssen – siehe § 246:
Anmerkungen zu Anhang I Nummer 1.7.1
Hersteller mit Sitz in der EU stellen den größten Teil der technischen Unterlagen üblicherweise in der Amtssprache des Mitgliedstaats zusammen, in dem sie ihren Sitz haben, wobei auch eine andere EU-Amtssprache verwendet werden kann. Außerdem können die Hersteller in die technischen Unterlagen Dokumente, die von Lieferanten von Bauteilen oder Unterbaugruppen vorgelegt wurden, oder Berichte von Prüfstellen aufnehmen, die in anderen EU-Amtssprachen abgefasst wurden. Eine Übersetzung derartiger Unterlagen ist nicht erforderlich. Unterlagen, die in einer Nicht-EU-Sprache abgefasst sind, müssen jedoch in eine EU-Amtssprache übersetzt werden. Hersteller, die ihren Sitz außerhalb der EU haben, müssen die technischen Unterlagen in einer oder mehreren EU-Amtssprachen erstellen.

Eine Ausnahme von dieser Grundregel gilt insofern, als nach dem siebten Gedankenstrich in Anhang VII Teil A Nummer 1 die technischen Unterlagen ein Exemplar der Betriebsanleitung enthalten müssen und hierfür besondere Sprachanforderungen gelten – siehe § 256 und § 257: Anmerkungen zu Anhang I Nummer 1.7.4 und 1.7.4.1 Buchstaben a und b.“

Ebenfalls in der Sprache des Verwenderlandes muss die Konformitätserklärung übersetzt werden.

2. Kann ich von einem spanischen Hersteller eines Bearbeitungszentrums die Dokumentation der Risikobewertung in Deutsch verlangen?

Die Herausgabe der Risikobeurteilung vom Hersteller kann ohnehin nur verlangt werden, wenn das explizit vertraglich mit ihm vereinbart wurde. Ansonsten muss der Hersteller nur die Maschine, eine Betriebsanleitung und die Konformitätserklärung übergeben.
In einer solchen vertraglichen Regelung kann dann natürlich auch eine Sprache (z.B. Deutsch) festgelegt werden.

Nur ob der Hersteller eine solche Verpflichtung eingeht, ohne mehr Geld dafür zu berechnen, ist eine andere Frage.

Mit freundlichen Grüßen, Ihre CE-Redaktion

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