Beim Planen und Bauen von Maschinen muss der Hersteller gemäß Maschinenrichtlinie grundlegende Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen einhalten. Das Beurteilen und Minimieren von Risiken für den Benutzer und Bediener einer Maschine sowie weitere Personen ist ein unverzichtbares und zentrales Element im Konstruktionsprozess. Dabei sind bestimmte Grundsätze einzuhalten.
Die sogenannte „inhärent sichere Konstruktion“ gilt nach DIN EN ISO 12100 als „der erste und wichtigste Schritt im Prozess der Risikominderung„. „Inhärent sichere Konstruktion“ hat der Maschinensicherheitsexperte Jürgen Bialek auch als Titel für sein neues Fachbuch gewählt. Der folgende Beitrag fasst die wichtigsten Aspekte der Kapitel zum Integrieren von Sicherheitsaspekten aus Sicht des Maschinenkonstrukteurs zusammen.
Die Risikobeurteilung von Maschinen als Bestandteil des Verfahrens zu Konformitätsbewertung mag auf den ersten Blick als eine triviale Forderung erscheinen. Es erscheint unmittelbar selbstverständlich, dass eine Maschine so konstruiert sein muss, dass sie beim späteren Betrieb nicht zu Verletzungen und Gesundheitsschäden führt. Doch um diese Anforderung rechtssicher umzusetzen, sollte jeder Hersteller die folgenden Grundsätze zu beachten.
1. Hersteller bestimmt Verwendung
Als Hersteller und Konstrukteur einer Maschine legen Sie deren späteren Verwendungszweck fest. Der Verwendungszweck bestimmt auch die Einsatzgrenzen der Maschine, etwa ob eine Maschine auch im Freien betrieben werden darf oder nur innerhalb bestimmter anderer Umgebungsbedingungen. Die diversen Rahmenfaktoren, für welchen Zweck, auf welche Art und Weise, mit welchem Materialien usw. eine Maschine betrieben werden soll, werden im Maschinensicherheitsrecht unter dem Begriff „bestimmungsgemäße Verwendung“ zusammengefasst.
2. Alle Betriebsformen und Betriebszustände berücksichtigen
Neben dem Routinebetrieb gibt es für jede Maschine am späteren Einsatzort auch weitere Betriebszustände. Maschinen müssen auf unterschiedliche Art und Weise eingestellt, gewartet, gerüstet, inspiziert und kontrolliert werden. Je nach Maschinentyp sind Feineinstellungen vorzunehmen, Werkzeuge zu wechseln oder Verschleißteile wie etwa Sägeblätter oder Schleifscheiben auszutauschen. Eine zentrale Forderung der Maschinensicherheit ist, dass nicht nur der laufende Betrieb der Maschine, sondern auch alle anderen Vorgänge und Instandhaltungsarbeiten im weiteren Sinne gefahrlos durchgeführt werden können. Dies müssen Sie bereits beim Konstruktionsprozess im Auge behalten.
3. Fehlanwendungen vorhersehen
Als Konstrukteur muss können Sie nicht davon ausgehen, dass jeder spätere Bediener automatisch die Maschine genauso so und ausschließlich so einsetzt, wie Sie es geplant haben. Laut Anhangt I der Maschinenrichtlinie müssen Sie daher „jede vernünftigerweise vorhersehbare Fehlanwendung“ in Betracht ziehen. Im deutschen Produktsicherheitsgesetz kommt der Begriff „Fehlanwendung“ übrigens gar nicht vor. Hier heißt es jedoch, dass ein Produkt nur dann auf dem Markt bereitgestellt werden darf, wenn es die Sicherheit und Gesundheit von Personen „bei bestimmungsgemäßer und vorhersehbarer Verwendung“ nicht gefährdet. Das bedeutet, dass Sie als Entwickler und Konstrukteur verpflichtet sind, mögliche unerwünschte Verwendungsweisen bereits im Voraus zu erahnen.
4. Keine Manipulationsanreize
Das Umgehen, Austricksen, Abmontieren, Überbrücken usw. von Sicherheitsfunktionen einer Maschine ist eine häufige Quelle von oft schweren Arbeitsunfällen. Schutzmaßnahmen, die als störend, unbequem oder lästig empfunden werden, bergen stets das Risiko, dass ein Maschinenbenutzer sie unwirksam macht. Als Konstrukteur müssen Sie mögliche Anreize zum Manipulieren von Schutzmaßnahmen weitestmöglich ausschließen.
5. Gesamten Lebenszyklus betrachten
Zum Lebenszyklus einer Maschine gehören sämtliche Phasen von der Herstellung über die Montage und den Betrieb bis zur Außerbetriebsetzung, Demontage und Entsorgung. Sicherheitsanforderungen gelten über den gesamten Lebenszyklus. Als Hersteller sind Sie zwar nicht verpflichtet, dem Käufer einer Maschine deren zu erwartende Lebensdauer anzugeben. Sie müssen jedoch festlegen, wie bei Erreichen einer Grenzlebensdauer oder z.B. einer bestimmten Zahl von Arbeitszyklen vorzugehen ist. Das kann eine Vorgabe zum Austauschen bestimmter Teile sein oder die Angabe, wann eine Maschine in einer Fachwerkstatt geprüft werden sollte.
6. Prioritäten der Schutzmaßnahmen beachten
Beim Auswählen und Bestimmen von Schutzmaßnahmen dürfen Sie nicht willkürlich vorgehen. Laut Anhang I der Maschinenrichtlinie ist bei der Risikominimierung eine Maßnahmenhierarchie zu beachten: Zuerst Risiken beseitigen oder minimieren, dann unvermeidliche Risiken durch Schutzmaßnahmen eingrenzen, dann den Benutzer über Restrisiken informieren.
7. Benutzerhinweise als Ergänzung
Als letzte Option, um ein Risiko in den Griff zu bekommen, gelten Sicherheitshinweise für den Benutzer. Diese finden sich z. B. als Warnhinweise an der Maschine selbst sowie in der Technischen Dokumentation. Über die Betriebsanleitung unterrichten Sie den Maschinenbetreiber z. B., welche Schutzausrüstung bei welchen Tätigkeiten getragen werden muss oder ob das Bedienen der Maschine eine bestimmte Qualifikation voraussetzt. Der Maschinenbetreiber muss diese Sicherheitsanforderungen seinen zum Bedienen der Maschine vorgesehenen Beschäftigten in einer Sicherheitsunterweisung vermitteln.
Ausführlicher und mit vielen Fotos, Abbildungen und Beispielen dargestellt finden Sie die oben genannten Aspekte in dem folgenden Werk:
Titel: Inhärent sichere Konstruktion Autor: Jürgen Bialek Verlag: WEKA MEDIA Fachbuch, 656 Seiten inkl. CD ROM Preis: 129,- Euro zzgl. MwSt. und Versand Best.-Nr.: CD4477, ISBN: 978-3-8111-4477-4 Link zur Bestellmöglichkeit
Alle relevanten Fakten zur Maschinenrichtlinie finden Sie hier.