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Maschinenrichtlinie

Auch unvollständige Maschinen bedürfen vollständiger Dokumentation

Für die früher sogenannten „Teilmaschinen“ brachte die neue Maschinenrichtlinie einige Neuerungen. Dennoch ist die Unsicherheit beim Thema „Unvollständige Maschinen“ bisweilen noch groß. Inwiefern gilt die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG für unvollständige Maschinen? Was muss ich als Konstrukteur und Hersteller einer unvollständigen Maschine beachten? Worauf kommt es an, wenn ich Empfänger einer unvollständigen Maschine bin? Wie ist das mit der Montageanleitung und der Einbauerklärung?

Eine unvollständige Maschine ist laut Maschinenrichtlinie eine „Gesamtheit, die fast eine Maschine bildet“ Kriterium der Abgrenzung zur (vollständigen) Maschine ist, dass die unvollständige Maschine „für sich genommen“ keine bestimmte Funktion erfüllen kann. Typische Beispiele sind daher ein Antriebssystem, ein Getriebe oder ein Greifer. Aber auch eine Maschine ohne den (für Ihr Funktionieren notwendigen) Antrieb ist eine unvollständige Maschine.

Wie die Beispiele zeigen, werden unvollständige Maschinen meist in andere Maschinen oder in andere unvollständige Maschinen eingebaut. Danach bilden sie gemeinsam eine funktionsfähige und damit vollständige Maschine im Sinne der Maschinenrichtlinie.

Antriebssysteme gelten oft als unvollständige Maschinen, fallen aber dennoch unter den Anwendungsbereich der Maschinenrichtlinie

Unvollständige Maschinen Antriebssysteme
Bildquelle: Thinkstock

In einzelnen Fällen ist der Übergang von einer unvollständigen zu einer vollständigen Maschine nicht eindeutig greifbar. Letztlich entscheidet dann der Hersteller, ob seine Maschine vollständig oder unvollständig ist.

Auch unvollständige Maschinen fallen laut Artikel 2 der Maschinenrichtlinie unter den Anwendungsbereich der Richtlinie. Maßgeblich für die formellen Anforderungen zum Inverkehrbringen einer unvollständigen Maschine ist Artikel 13 der Maschinenrichtlinie.

Was muss ich als Hersteller einer unvollständigen Maschine beachten?

Zu einer unvollständigen Maschine gehört immer eine Montageanleitung. Aus der Montageanleitung muss in verständlicher Sprache hervorgehen, auf welche Weise die unvollständige Maschine mit anderen Komponenten zu einer vollständigen Maschine zusammengebaut wird. Dies muss ohne Gefahr für die Sicherheit und Gesundheit erfolgen. Je nach Maschinentyp geht es in den Angaben der Montageanleitung z.B. um Anschlagpunkte und Anschlagmittel, Gewicht und Schwerpunkt, elektrische oder pneumatische Schnittstellen usw. Auch sicherheitsrelevante Angaben sind hier zu finden, etwas zu Not-Aus-Schaltern und Not-Aus-Systemen, zum Einsatz von persönlicher Schutzausrüstung oder zum Entfernen von Transportsicherungen.

Beachten Sie einen kleinen, aber feinen Unterschied zur Betriebsanleitung: Die Montageanleitung einer unvollständigen Maschine muss in einer Sprache abgefasst sein, die vom Hersteller der Maschine (in welche die unvollständige Maschine eingebaut werden soll) akzeptiert wird.

Die Montageanleitung allein ist als begleitendes Dokument einer unvollständigen Maschine jedoch keineswegs ausreichend. Der Hersteller muss laut Maschinenrichtlinie vor dem Inverkehrbringen der Maschine eine sogenannte Einbauerklärung erstellen. Diese Einbauerklärung für unvollständige Maschinen ist der früheren Herstellererklärung vergleichbar. Der Hersteller informiert den Käufer der unvollständigen Maschine mit diesem Dokument darüber, welche Anforderungen der Richtlinie relevant sind und eingehalten werden. Außerdem muss in der Einbauerklärung ein „Dokumentationsverantwortlicher“ als Ansprechpartner für die nationalen Überwachungsbehörden benannt werden.

Über die Einbauerklärung und die Montageanleitung hinaus muss der Hersteller eine Technische Dokumentation laut Anhang VII B der Maschinenrichtlinie „Spezielle technische Unterlagen für unvollständige Maschinen“ der Maschinenrichtlinie vorlegen. Dazu gehören

  • Übersichtszeichnungen,
  • Schaltpläne und Steuerpläne sowie
  • die Unterlagen zur Risikobeurteilung, insbesondere
  • die zutreffenden Normen
  • eine Liste der jeweils relevanten Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen mit
  • Angaben zu Sicherheitsmaßnahmen und Restrisiken und
  • den Berichten technischer Prüfungen.

Diese Technische Dokumentation ist mindestens 10 Jahre lang aufzubewahren.

Worauf sollten Sie als Empfänger einer unvollständigen Maschine achten?

Als Empfänger einer unvollständigen Maschine und damit in vielen Fällen Hersteller einer (vollständigen) Maschine sollten Sie folgende Aspekte immer im Auge behalten:

  • Ist eine Montageanleitung vorhanden?
  • Liegt eine Einbauerklärung vor?
  • Ist aus Montageanleitung und Einbauerklärung in verständlicher Form zu entnehmen, wie die Maschine einzubauen ist und welche Anforderungen an die Sicherheit dabei einzuhalten sind?
  • Liegen die Ergebnisse der Risikobeurteilung vor? Ist für uns ersichtlich, ob alle relevanten Risiken (z. B. bewegliche Teile, Standsicherheit, Strahlung, Abgase, Ergonomie usw.) geprüft und Schutzmaßnahmen ergriffen und ggf. Restrisiken genannt wurden?
  • Trägt die unvollständige Maschine eine CE-Kennzeichnung? Das ist „eigentlich“ laut Maschinenrichtlinie nicht vorgesehen und damit verboten, kann aber der Fall sein, wenn die CE-Kennzeichnung aufgrund anderer Richtlinien wie etwa der EMV-Richtlinie erfolgen muss.

Es heißt Montageanleitung und Einbauerklärung. Gleichwohl kursieren auch die Begriffe Montageerklärung und Einbauanleitung. Schauen Sie ggf. genau hin, um welches Dokument es sich handelt und ob hier ein echter Mangel oder nur eine ungeschickte Übersetzung vorliegt. Auch wer den veralteten Begriff „Herstellererklärung“ heute noch verwendet, zeigt damit, dass er nicht auf dem neuesten Stand ist.

Achtung: Wenn Sie in Ihrem Betrieb eine unvollständige Maschine einbauen oder zusammenbauen, steht Ihr Unternehmen in der Verantwortung:

Alle relevanten Fakten zur Maschinenrichtlinie finden Sie hier.

8 Antworten auf „Auch unvollständige Maschinen bedürfen vollständiger Dokumentation“

Wenn ich eine Drehmaschine habe und einen Stangenförderer dazukaufe, ist dieser ja auch eine unvollständige Maschine. Laut Hersteller der Drehmaschine reicht eine Einbauerklärung. Ihr schreibt dass ich nun als Betreiber die beiden Maschinen als Gesamt CE betrachten muss? Das heisst Risikobeurteilung, Konformität, Betriebsanleitung ect? Die Hersteller beharren darauf, dass eine Einbauerklärung reicht und man ansonsten nichts mehr machen muss als Betreiber… Was stimmt denn nun?

Sehr geehrter Herr Bauer,

an dieser Stelle muss unterschieden werden, welche Aufgaben der Hersteller der unvollständigen Maschine gemäß MRL erfüllen muss und was er letztendlich an den Kunden aushändigen muss.

Denn die MRL verlangt natürlich auch für unvollständige Maschinen eine komplette Konformitätsbewertung, soweit das im Rahmen der unvollständigen Maschine möglich ist.
„In der Montageanleitung müssen sämtliche sicherheitsrelevanten Aspekte der unvollständigen Maschine sowie der Schnittstelle zwischen der unvollständigen Maschine und der vollständigen Maschine behandelt werden, die von demjenigen zu berücksichtigen sind, der die unvollständige Maschine in die vollständige Maschine einbaut.
In der Montageanleitung ist auf die Notwendigkeit hinzuweisen, die erforderlichen Maß-nahmen zur Einhaltung der für unvollständige Maschinen geltenden grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen zu ergreifen, welche vom Hersteller der unvollständigen Maschine nicht angewandt und erfüllt oder nur teilweise erfüllt wurden – siehe § 385: Anmerkungen zu Anhang II Teil 1 Abschnitt B.“ (Sh. Leitfaden MRL § 390).

Der Hersteller muss die Spezielle technische Unterlagen für unvollständige Maschinen gemäß ANHANG VII Teil B erstellen.

Dem Kunden übergeben muss er aber nur die unvollständige Maschine selbst, die Einbauerklärung und die Montageanleitung.

Beste Grüße

Stephan Grauer

Gut zu wissen, dass ein Getriebe laut Definition eine unvollständige Maschine ist, sowie auch das Antriebssystem. Meine Tante möchte für ihre Firma ein Unternehmen für die Fertigung von Getrieben engagieren, und möchte, dass ich mich über Getriebe informiere. Danke für die Aufklärung.

Trägt die unvollständige Maschine eine CE-Kennzeichnung? Das ist „eigentlich“ laut Maschinenrichtlinie nicht vorgesehen und damit verboten, kann aber der Fall sein, wenn die CE-Kennzeichnung aufgrund anderer Richtlinien wie etwa der EMV-Richtlinie erfolgen muss.

Diese Aussage sollte konkretisiert werden. Nach dieser Aussage gilt, dass (un)- wie auch vollständige Maschinen schon allein durch die Anwendung der EMV-RL ein CE Zeichen bekämen, auch wenn über die MRL eine unvollständige Maschine vorliegt.

Sehr geehrter Herr Donhauser,

ja, der Sachverhalt ist in der Tat erklärungsbedürftig und nicht ganz einfach.
Die Maschinenrichtlinie kennt den Sonderfall der unvollständigen Maschine. Und gemäß MRL bekommen unvollständige Maschinen KEINE CE-Kennzeichnung.
Da es aber neben der MRL noch andere CE-Vorschriften gibt, kann es zu Konstellationen kommen, in denen die unvollständige Maschine nach dieser Vorschrift ein CE bekommt.
Wichtig: Dem CE-Kennzeichen an sich sieht man eben nicht an, auf welche Vorschrift(en) es sich bezieht. Das geht dann immer erst aus der zugehörigen Konformitäts- und Einbauerklärung hervor.

Der Leitfaden zur MRL formuliert das in § 38:
„Wenn die betreffenden Einheiten als vollständige Maschinen in Verkehr gebracht werden, die auch für sich alleine betrieben werden könnten, müssen sie die CE-Kennzeichnung tragen und es muss eine EG-Konformitätserklärung beigefügt sein – siehe § 103: Anmerkungen zu Artikel 5 Absatz 1.
Wenn sie als unvollständige Maschinen in Verkehr gebracht werden, dürfen sie keine CE-Kennzeichnung tragen. Sind allerdings andere Rechtsvorschriften anwendbar, die ebenfalls eine CE-Kennzeichnung vorsehen (beispielsweise die ATEX-Richtlinie oder die Funkanlagenrichtlinie), ist eine CE-Kennzeichnung anzubringen. In diesem Fall sollte in der Konformitätserklärung angegeben werden, dass sich die CE-Kennzeichnung nur auf die betreffende Rechtsvorschrift bezieht. Der unvollständigen Maschine sind in jedem Fall eine Einbauerklärung nach der Maschinenrichtlinie sowie eine Montageanleitung beizufügen – siehe § 104: Anmerkungen zu Artikel 5 Absatz 2 und § 131: Anmerkungen zu Artikel 13.“

Beste Grüße

Stephan Grauer

„Aber auch eine Maschine ohne den (für Ihr Funktionieren notwendigen) Antrieb ist eine unvollständige Maschine.“
Diese Information ist schlichtweg falsch! Siehe MRL Art. 2 a erster Gedankenstrich (Antrieb ist vorgesehen, aber nicht mitgeliefert) und Leitfaden (Version 2.1), § 35!

Lieber Leser,

vielen Dank für diesen Hinweis.
Er zeigt, wie komplex das Thema „unvollständige Maschine“ ist und das es immer gefährlich ist, bei diesem Thema zu sehr zu verallgemeinern.
Denn in der Tat ist nicht jede Maschine ohne den (für Ihr Funktionieren notwendigen) Antrieb schon automatisch eine unvollständige Maschine.
Wie in § 35 Leitfaden MRL gilt es hier zu differenzieren und es gilt den konkreten Einzelfall zu betrachten.
Richtig muss es also heißen: „Eine Maschine ohne den (für Ihr Funktionieren notwendigen) Antrieb kann eine unvollständige Maschine sein, sie kann aber auch eine vollständige Maschine sein, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen.“

Mit freundlichen Grüßen, Ihre CE-Redaktion

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