Die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG macht unter anderem Vorgaben zum Lärm von Produkten. Denn Lärm kann Maschinenbediener und andere Beschäftigte gesundheitlich massiv belasten. Angaben zur Lärmemission einer Maschine sind daher verpflichtend vorgeschrieben. Für den Hersteller bedeutet dies, dass er Lärmpegel messen und deklarieren muss.
Vor einigen Jahren hatte die sogenannte NOMAD-Studie der Marktüberwachungsbehörden für Aufsehen gesorgt. Denn sie zeigte eklatante Defizite bei den Lärmangaben gemäß Maschinenrichtlinie. Behörden aus insgesamt 14 EU- und EFTA-Staaten hatten in der Task Force NOMAD (NOise MAchinery Directive) zusammengearbeitet. Ziel war, zu überprüfen und zu bewerten, inwiefern Hersteller die Anforderung der Maschinenrichtlinie erfüllen, Geräuschemissionsangaben ihrer Maschinen zur Verfügung stellen. Dazu waren europaweit mehr als 1.500 Benutzerinformationen aus 40 Maschinengruppen untersucht worden.
4 von 5 Betriebsanleitungen entsprechen nicht der Vorschrift
Das Ergebnis der ersten EU-weiten Studie dieser Art zum Maschinenlärm ergab einen erschreckenden Befund. In etwa 80 Prozent der untersuchten Maschinen war die Dokumentation für den Benutzer im Hinblick auf die lärmrelevanten Angaben nicht ausreichend und die Angaben wiesen teils eklatante Mängel auf. Beanstandet wurden u. a. folgende Versäumnisse:
- Die Benutzerinformationen waren unvollständig, weil z. B. numerische Angaben zur Lärmbelastung ganz fehlten.
- Die Benutzerinformationen waren nicht nachvollziehbar.
- Die Messmethoden und Rahmenbedingungen der Lärmmessungen waren nicht angegeben.
Den Benutzern einer Maschine werden damit diejenigen Angaben vorenthalten, die sie benötigen, um auf Lärmemissionen angemessen zu reagieren. Nur mit konsistenten und glaubhaften Angaben zu den Lärmemissionen erhalten Einkäufer die notwendigen Informationen, um gezielt leise Maschinen auszuwählen.
Lärm kann krank machen – 5 Millionen Betroffene in Deutschland
Quelle: gettyimages
Knapp 5 Millionen Beschäftigte sind in Deutschland gesundheitsgefährdendem Lärm (> 80 dB(A)) ausgesetzt. An vielen Arbeitsplätzen sind die hohen Geräuschemissionen von Maschinen die Hauptquelle einer Lärmbelastung. Die Einschätzung von Arbeitsmedizinern dazu ist eindeutig. Lärm am Arbeitsplatz stellt eine gesundheitliche Belastung dar. Bei hohen Lärmpegeln droht Schwerhörigkeit und schon bei mittleren Geräuschemissionen kommt es zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Anhaltende Exposition gegenüber Maschinenlärm ist die Hauptursache für berufsbedingte Gehörschäden, so sieht es auch der „Leitfaden für die Anwendung der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG. Bis zur Corona-Pandemie war Lärmschwerhörigkeit die häufigste Berufskrankheit in Deutschland (BK 2301).
Darum ist Maschinenlärm so gefährlich
Am Arbeitsplatz wird das Gesundheitsrisiko Lärm – im Gegensatz zu akuten Verletzungsgefahren oder giftigen Chemikalien – oft nicht als Risiko erkannt und unterschätzt. Doch gerade Lärmbelastungen sind aus den folgenden Gründen besonders heimtückisch:
- Unser Ohr kann sich nicht selbst schützen, es gibt keinen dem Lidschlussreflex beim Auge vergleichbaren Mechanismus.
- Lärmschwerhörigkeit entwickelt sich schleichend. Zum Zeitpunkt, an dem der Betroffene dem Lärm ausgesetzt ist – ob in der Disco oder am Arbeitsplatz –, sind ihm die Folgen für sein Hörvermögen meist nicht oder kaum bewusst. Die Schäden durch die Lärmbelastung spürt er oft erst Jahre oder Jahrzehnte später.
- Lärmschäden sind irreversibel, ein geschädigtes Innenohr erholt sich nicht und Lärmschwerhörigkeit ist nicht heilbar.
- Neben der Verschlechterung der akustischen Wahrnehmung können Lärmbelastungen weitere Folgen haben, z. B. Tinnitus verursachen.
Zudem erzeugt Stress Lärm, stört die Kommunikation, belastet die Aufmerksamkeit und kann zu einem mitbestimmenden Faktor in der Entstehung eines Unfalls werden. Daher ist der Aspekt, wie laut eine Maschine im Betrieb ist, nicht nur ein Aspekt für betriebliche Arbeitsschützer, sondern hat aus guten Gründen auch Eingang in die Maschinenrichtlinie gefunden.
Lärm in der Maschinenrichtlinie
„Die Maschine muss so konstruiert und gebaut sein, dass Risiken durch Luftschallemission insbesondere an der Quelle so weit gemindert werden, wie es nach dem Stand des technischen Fortschritts und mit den zur Lärmminderung verfügbaren Mitteln möglich ist.“ Dies fordert die Maschinenrichtlinie in Abschnitt 1.5.8. und zudem, in Abschnitt 1.1.7, für Bedienungsplätze „geeignete Einrichtungen vorzusehen, damit gute Arbeitsbedingungen für den Bediener gewährleistet sind und er gegen vorhersehbare Gefährdungen geschützt ist.“ Lärm ist zweifellos – neben anderen Risiken – eine Gesundheitsgefährdung, die hier angesprochen wird.
Minimierungsgebot: Lärmbelastung so niedrig wie möglich halten!
Für den Arbeitsschutz vor Ort ist die Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung (LärmVibrationsArbSchV) maßgeblich. Sie fordert u. a. die Berücksichtigung von Lärm bei Gefährdungsbeurteilungen und verpflichtende Schutzmaßnahmen bei festgelegten Auslöse- und Expositionsgrenzwerten. Für den Hersteller gelten die gesetzlichen Vorgaben aus Maschinenrichtlinie (MRL) und Produktsicherheitsgesetz (ProdSG), die ein Minimierungsgebot postulieren. Das bedeutet:
- Lärmminderung muss an der Quelle des Lärms ansetzen.
- Maschinen sind so zu konstruieren, dass sie möglichst leise arbeiten.
- Angaben zu den Geräuschemissionen fallen unter die verpflichtenden Informationen zu den sogenannten Restgefahren.
Diese Lärmangaben sollten Benutzerinformationen enthalten
Laut Befund der NOMAD-Studie ist der technische Dialog zwischen Hersteller und Kunde in Sachen Lärm stark verbesserungswürdig. Für Geräuschemissionsangaben nach Maschinenrichtlinie 2006/42/EG gilt die Forderung, dass folgende Informationen in der Betriebsanleitung und in den Verkaufsprospekten vorhanden sein müssen:
- der Emissionsschalldruckpegel LPA am Arbeitsplatz, sofern dieser über 70 dB(A) * liegt (bei geringeren Werten ist „< 70dB(A)“ anzugeben)
- der Schalleistungspegel LWA der Maschine, sofern der Emissions-Schalldruckpegel am Arbeitsplatz über 80 dB(A) beträgt.
- der Spitzenschalldruckpegel LpC,peak am Arbeitsplatz, wenn dieser Wert über 130 dB liegt.
* Die Einheit dB steht für Dezibel. Der Buchstabe A weist darauf an, dass das unterschiedliche Hörempfinden des Menschen bei verschiedenen Frequenzen berücksichtigt wird.
Das Geräuschdatenblatt der BAuA
Die erforderlichen Werte zu den Geräuschemission einer Maschine lassen sich unter genau festgelegten Bedingungen ermitteln. Typisch sind Messungen im Leerlauf und unter Last. Die gemessenen Werte sind ein technisches Grundmerkmal der betreffenden Maschine.
Nützlich bei der Beschaffung von Maschinen ist das Formular „Geräuschdatenblatt“ der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). Hier lassen sich die Geräuschemissionsdaten, die von den Maschinenherstellern entsprechend der Maschinenrichtlinie zur Verfügung gestellt werden, eintragen. Das kann neben den Angaben nach DIN EN ISO 4871 auch die Angabe des garantierten Schallleistungspegels nach DIN EN ISO 4871 umfassen, wenn eine Maschine auch unter die Outdoor-Richtlinie 2000/14 /EG fällt.
Pflichtangaben des Maschinenherstellers zu Geräuschemissionen
Quelle: BAuA
Der Unterschied zwischen Geräuschemission und Schallexposition
Mit Angaben zu Schallleistungspegel und Emissionsschalldruckpegel ist allerdings noch wenig dazu gesagt, wie sehr diese Emissionen sich auf den die Maschine bedienenden oder in der Nähe arbeitenden Menschen auswirken. Denn dies hängt von vielen weiteren Faktoren ab wie
- dem Standort und der Aufstellung der Maschine,
- der Art und Weise ihrer Nutzung,
- dem Abstand der Personen zur Maschine
- der Expositionsdauer
- den Eigenschaften der Arbeitsumgebung hinsichtlich Absorption, Reflexion und Streuung von Schall,
- inwiefern der Maschinenbediener persönliche Schutzausrüstung (Gehörschutz) verwendet.
Für diese Faktoren und Aspekte, welche die konkrete Lärmexposition an einem Maschinenarbeitsplatz bestimmen, kann selbstverständlich nicht allein der Maschinenhersteller verantwortlich gemacht werden. Dieser bleibt jedoch zuständig für die Geräuschemissionen, die von seiner Maschine ausgehen.
Ob Schallschutzkapseln oder andere Lösungen – nicht selten können schalldämmende Maßnahmen so konstruiert werden, dass sie gleichzeitig auch dem Schutz gegen andere Risiken dienen. Ein typischer Fall wäre die Einhausung eines Fahrerplatzes in Form einer Kabine, die Maschinenführer nicht nur vor Lärmemissionen, sondern auch vor Staub, Schmutz, Feuchtigkeit, Kälte, Zugluft oder anderen Risikofaktoren schützen kann.
Maschine zu laut? Stand der Technik in Gefahr!
Der EU-Leitfaden zur Maschinenrichtlinie deutet an, dass künftig immer mehr Typ-C-Normen Vergleichsemissionsdaten nennen werden. Das kann für den Konstrukteur im Hinblick auf die Emissionen seiner Maschine sehr relevant werden. Sollte sich herausstellen, dass die eigene Konstruktion deutlich höhere Geräuschemissionen aufweist als eine signifikante Zahl gleichartiger Maschinen mit vergleichbaren Kenngrößen, dann folgt daraus, dass diese Maschine nicht dem Stand der Technik entspricht. Denn das Marktgeschehen zeigt, dass es offenbar möglich ist, eine Maschine gleichen Typs lärmärmer zu konstruieren.
Hinweis: Wie sich die Geräuschemissionen von Maschinen vergleichen lassen, damit befasst sich die Norm EN ISO 11688-1 „Akustik – Vorgehensweise für den Vergleich von Geräuschemissionswerten für Maschinen und Geräte“.
Keine Lärmgrenzwerte in der Maschinenrichtlinie, aber …
Maschinenhersteller bleiben für den Anteil ihrer Maschine an den durch Lärm verursachten Risiken für den Anwender verantwortlich und müssen Lärm in der Risikobeurteilung berücksichtigen.
Gefährdungsbaum aus dem WEKA Manager CE
Die Lärmangaben sind unter verschiedenen Betriebsbedingungen zu ermitteln, z.B. bei Leerlauf und unter Last. Maßgeblich sind u. a.
- Geräuschtestnormen wie ISO 7960 „Luftschallemission von Werkzeugmaschinen …“ .
- Grundnormen wie die EN ISO 3744 „Akustik – Bestimmung der Schallleistungs- und Schallenergiepegel von Geräuschquellen aus Schalldruckmessungen …“ sowie die
- EN ISO 11200ff „Akustik – Geräuschabstrahlung von Maschinen und Geräten – Messung von Emissions-Schalldruckpegeln am Arbeitsplatz …“.
Der Hersteller muss sicherstellen, dass seine Angaben zu Geräuschemissionen die folgenden Punkte erfüllen:
- Die Mess- und Betriebsbedingungen sind anzugeben.
- Die Angaben zu den Geräuschemissionen müssen vollständig sein, in angemessener Terminologie und mit den zutreffenden Einheiten.
- Es sollten auch Angaben zur Messunsicherheit vorhanden sein.
- Die reinen Zahlenwerte sind um Hinweise zum sicheren Betrieb wie Gehörschutz, Aufstellbedingungen, Wartung, Maßnahmen zur Lärmminderung zu ergänzen.
In der NOMAD-Studie waren die geforderten Angaben nur in weniger als 15 Prozent der Fälle korrekt und vollständig. Ob sich dies in den letzten Jahren verbessert hat, ist nicht bekannt.
Fazit: Die Maschinenrichtlinie legt zwar keine konkreten Grenzwerte für Geräuschemissionen fest. Sie macht jedoch klare Vorgaben, Lärmrisiken zu minimieren und dem Anwender sämtliche lärmrelevanten Informationen zur Verfügung zu stellen. Wer einen oder beide dieser Punkte vernachlässigt, riskiert das rechtssichere Inverkehrbringen seiner Produkte.
Alle relevanten Fakten zur Maschinenrichtlinie finden Sie hier.
2 Antworten auf „Maschinenhersteller in der Pflicht: Lärmemissionen von Maschinen korrekt angeben“
Sehr geehrte Damen und Herren,
Ihre Ausführungen über die Angabe des Schalleistungspegels in den Betriebsanleitungen ist nicht korrekt.
Dieser muß angegeben werden, wenn der Schalldruckpegel am Arbeitsplatz über 80 dB(A) steigt und nicht der Schalleistungspegel. –> Beim Schalleistungspegel geht es um die Emission der Maschine und nicht um den Arbeitsplatz.
Sehr geehrter Leser,
vielen Dank für das aufmerksame Lesen des Beitrags und Ihr Feedback. Wir haben die Textstelle entsprechend angepasst.
Beste Grüße
Ihre CE-Redaktion