Im April hat das Europäische Parlament die Verordnung 2019/1020 beschlossen. Diese sogenannte Marktüberwachungsverordnung gilt ab dem 16. Juli 2021 als neuer Rechtsrahmen für die Kontrolle von Produkten an den EU-Außengrenzen. Nicht nur Hersteller, Händler und Importeure sollten um die neuen Anforderungen wissen. Auch wer „nur“ einen Online-Marktplatz betreibt oder als IT-Dienstleister betreut, gerät mit der neuen Verordnung in die Mitverantwortung für die Sicherheit der angebotenen Produkte.
Unsichere Produkte sollen in Europa erst gar nicht beim Verbraucher oder Benutzer ankommen. Die Rechtsgrundlagen dafür sind mit den Richtlinien und Harmonisierungsvorschriften der Europäischen Union vorhanden. Doch die Regelungen müssen an neue Anforderungen angepasst werden, die sich aktuell gerade durch Globalisierung und Digitalisierung in internationalen Handelsprozessen ergeben.
Immer mehr nicht-konforme Produkte durch E-Commerce
Der Online-Handel wächst und wächst. Gleichzeitig tobt ein gnadenloser Preiskampf. Dazu kommen neue Geschäftsmodelle wie Dropshipping oder das FBA-Modell (Fulfillment By Amazon) für über Amazon erreichbare Online-Shops. Im Unterschied zum FBA-Modell läuft ein Dropshipping unabhängig von Amazon, daher wird ein eigener Online-Shop benötigt sowie ein Dropshipping-Partner wie etwa Alibaba oder BigBuy. Dieser versendet dann die bestellten Produkte und der Shopbetreiber muss nur noch „abkassieren“. Laut diesem Konzept kann jedermann ohne Wareneinsatz Geld verdienen und somit ohne Kapital in die berufliche Selbstständigkeit starten.
Damit wird das Importieren von Produkten und Gütern aus aller Welt immer einfacher. Wenig verwunderlich, dass die neuen Geschäftsmodelle à la „China -Dropshipping mittels AliExpress & Co“ gerade jüngere Menschen anziehen. Niemand muss eine kaufmännische Ausbildung nachweisen oder Kenntnisse über Zollbestimmungen nachweisen. Jeder kann in Fernost hergestellte Waren in Europa vertreiben, ohne das Produkt jemals selbst in Händen gehalten zu haben. Auf den Shopping-Portalen zählen allein Bewertungen, Likes werden zur neuen Währung. Aspekte wie Produktsicherheit, die Anforderungen an eine rechtssichere Benutzerinformation oder Kennzeichnungspflichten (etwa für im Produkt enthaltene Gefahrstoffe) sind diesen neuen Marktakteuren oft kaum bekannt. Dies hat zur Folge, dass immer mehr nicht konforme und somit illegale Produkte auf den europäischen Markt gelangen.
Fulfillment-Dienstleister als neue Marktakteure im Online-Handel
Durch die neuen Geschäftsmodelle im internationalen Online-Handel werden nicht nur die Vertriebswege intransparenter, auch aus Sicht der Marktüberwachungsbehörden. Auch können sich die Lieferketten im Online-Handel schnell verändern. Dazu kommt, dass die Zahl der im Binnenmarkt involvierten Marktakteure wächst. Zum Hersteller kommen Zwischenhändler, Online-Händler, Shop-Betreiber, IT-Anbieter von Shopping-Lösungen und die sogenannten Fulfillment-Dienstleister. Diese übernehmen verschiedene Aufgaben in der logistischen Abwicklung wie Bestellbearbeitung, Verpackung, Versand, Rechnungsstellung und Retourenkontrolle, wenn diese Tätigkeiten vom eigentlichen Shop-Betreiber nicht mehr zu leisten sind.
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen erschienen die bisherigen Regelungen zur Marktüberwachung als unzureichend. Die EU hat daher in vergleichsweise kurzer Zeit mit der Marküberwachungsverordnung 2019/1020/EU ein neues Regularium vorgelegt.
Die Marküberwachungsverordnung im Steckbrief Die neue europäische Marktüberwachungsverordnung (MÜV)
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Marktüberwachungsverordnung weitet den Kreis der verantwortlichen Marktakteure aus
Das komplexe internationale Produktsicherheits- und Marktüberwachungsrecht soll durch die MÜV europaweit vereinheitlicht, vereinfacht und übersichtlicher werden. Die zuständigen Behörden sollen ihre Befugnisse effizienter umsetzen können, um die EU-Bürger besser vor unsicheren Produkten zu schützen. Dies will die MÜV durch die folgenden Vorgaben erreichen:
- Der EU-Binnenmarkt wird strenger überwacht. Mehr Kontrollen sollen nicht-konforme Produkte besser aufspüren und vom Markt fernhalten.
- Die Behörden der Marktüberwachung sollen effizienter grenzüberschreitend miteinander sowie mit den Zollbehörden zusammenarbeiten.
- Die Vorgaben für alle Wirtschaftsakteure sollen klarer und transparenter werden.
- Zu den klassischen Wirtschaftsakteuren wie Hersteller, Händler und Importeure kommen im E-Commerce die „Fulfillment Service Provider“ als Servicedienstleister und die Plattformbetreiber der Online-Shops hinzu.
Die einzelnen Staaten sind aufgerufen, wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen festzulegen. Das könnte z.B. dazu führen, dass eine Behörde einen IT-Dienstleister auffordert, Produkte aus einem Online-Shop zu nehmen oder einen Online-Shop ganz zu schließen.
Das Inverkehrbringen beginnt bereits mit dem Anbieten im Online-Shop
Der letzte Punkt betrifft insbesondere den Online-Handel, und zwar im Zusammenhang mit folgenden Neuregelungen:
- Produkte dürfen in der EU nur noch dann angeboten werden, wenn ein verantwortlicher Wirtschaftsakteur oder Bevollmächtigter mit Sitz in der EU benannt ist.
- Bereits das Anbieten eines Produkts in einem Online-Shop für in der EU ansässige Endnutzer gilt als Inverkehrbringen.
In der Folge kommt es durch die MÜV zu einer erweiterten Produktverantwortung: Denn ist ein Hersteller, Bevollmächtigter oder Importeur nicht erkennbar, können die Marktüberwachungsbehörden künftig auch den Marktplatzbetreiber oder den Fulfilment-Dienstleister verantwortlich machen, wenn ein Produkt nicht den EU-Anforderungen an Sicherheit und Gesundheitsschutz entspricht.
Mehr Schutz für Anbieter konformer Produkte
Die neue MÜV will mit diesen Regelungen sicherstellen, dass die Anforderungen an die Produktsicherheit in der EU unabhängig davon umgesetzt werden,
- ob ein Produkt offline oder online in Verkehr gebracht wird und unabhängig davon,
- ob das Produkt in der Europäischen Union hergestellt wurde oder nicht.
Letztendlich tragen die Neuregelungen bei konsequenter Umsetzung nicht nur zu mehr Sicherheit, sondern auch zu mehr Fairness und Rechtssicherheit bei. Denn es werden auf lange Sicht Wettbewerbsnachteile ausgerechnet für diejenigen Unternehmen und Händler unterbunden, die sich konsequent an die gesetzlichen Vorschriften halten und auf Konformität ihrer Produkte achten.
Fazit
Die neue europäische Marktüberwachungsverordnung wird für den Online-Handel nicht ohne Folgen bleiben. Die Produktüberwachung wird schlagkräftiger und immer mehr Marktakteure werden in die Verantwortung für Sicherheit und Gesundheitsschutz der in der EU vertriebenen Produkte einbezogen. Bis Juli 2021 bleibt betroffenen Unternehmen Zeit, sich auf die neuen Anforderungen einzustellen.
Alle relevanten Informationen zur Marktüberwachung finden Sie hier.