Eine enge räumliche Zusammenarbeit von Menschen und Maschinen in industriellen Produktionsumgebungen ist eine große Herausforderung für den Konstrukteur. Mannigfache Schutzeinrichtungen an Maschinen und Anlagen sollen Verletzungen und Unfälle vermeiden. Der Trend, bislang eingehauste Robotersysteme enger mit menschlichen Mitarbeitern zusammenarbeiten zu lassen – sogenannte kollaborierende Systeme – erfordert das Implementieren neuer Sicherungssysteme zur Personenerkennung. Eine neue Studie stellt die dafür derzeit verfügbaren Technologien gegenüber.
Personenerkennung ist kein neues Thema im Maschinenbau. Auch ein Lichtgitter oder eine Trittmatte, auf der ein Maschinenbediener stehen muss, damit ein bestimmter maschineller Vorgang abläuft, erkennt (im weitesten Sinne) die Anwesenheit oder Abwesenheit eines Menschen. Selbst bei Bewegungsmeldern für eine Flurleuchte oder bei Badezimmerwaagen sprechen die Hersteller von einer „Personenerkennung“. Überwachungskameras nutzen Bilderkennungsalgorithmen zum Unterscheiden zwischen Personen und anderen erfassten Bewegungen, etwa von Tieren oder anderen beweglichen Objekten. Kameras mit Gesichtserkennung sind sogar in der Lage, Menschen zu identifizieren. Dieser Beitrag fokussiert auf das Erkennen von Menschen bei der nahen Zusammenarbeit von Menschen und Maschinen in der industriellen Produktion.
Automatische Personenerkennung als Vorbedingung der Mensch-Roboter-Kollaboration
Man mag zum Hype um das Schlagwort Industrie 4.0 stehen, wie man will. Fakt ist, dass Produktionssysteme zunehmend digitalisiert und technische Systeme vernetzter und intelligenter werden. Ob Haushalts- oder Industrieroboter, selbst fahrende Flurförderzeuge oder Baumaschinen – wo Maschinen immer autonomer agieren und gleichzeitig räumlich immer näher am menschlichen Körper aktiv sind, steigt die Unfall- und Verletzungsgefahr. Diese Risiken in den Griff zu bekommen, ist eine zentrale sicherheitstechnische Aufgabe der Hersteller von Robotersystemen und anderen Maschinen und Fahrzeugen.
Die Konstruktion muss gewährleisten, dass die Maschine den Menschen erkennt und ihre Bewegungen rechtzeitig stoppt bzw. auf eine für den Menschen gefahrlose Weise anpasst. Eine solche automatische und sichere Personenerkennung ist mit ganz unterschiedlichen technischen Lösungen umsetzbar. Die Zahl der Sensorsysteme und Messverfahren für verschiedene Anwendungsbereiche und Arbeitsumgebungen wächst.
Mensch und Roboter arbeiten zusammen an einem Schweißerarbeitsplatz
Bildquelle: Thinkstock
Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) hat sich in einem Forschungsprojekt intensiv mit dieser Herausforderung befasst. Untersucht und getestet wurden verschiedene Verfahren, die in unterschiedlichen Anwendungsgebieten dafür zuständig sind, die Anwesenheit von Menschen in der Arbeitsumgebung einer Maschine sicher zu erfassen. Im September 2017 wurde in der Reihe „BAuA kompakt“ der Abschlussbericht unter dem Titel „Sichere Personenerkennung in der Mensch-Maschine-Interaktion“ vorgelegt.
Sensorgestützte Sicherheitslösungen in der Übersicht
Der BAuA-Bericht betrachtet insgesamt 13 Sicherheitslösungen zur Personenerkennung im Detail. Er stellt die Vorteile und Nachteile der jeweiligen Sicherheitslösungen gegenüber und bietet für Entwickler und Konstrukteure eine kompakte Übersicht zum Stand der Technik. Aufgeschlüsselt werden die einzelnen technischen Verfahren nach:
- ihren Vor- und Nachteilen
- den möglichen Anwendungsgebieten sowie deren Grenzen
- dem Einsatzzweck, d. h., welches System jeweils für Anwesenheitserkennung, Positionsbestimmung, Bewegungsanalyse oder Analyse der Körperhaltung geeignet ist
- den technischen Parametern
- der Bedeutung von Umgebungsfaktoren wie Beleuchtung oder Vibration
Typen von Erkennungsverfahren
Die einzelnen Technologien lassen sich vier grundlegenden Typen von Erkennungsverfahren für unterschiedliche Einsatzfelder wie folgt zuordnen:
- Überwachung des gesamten Arbeitsbereichs: Multikamera, 3D-Kamera, Strukturiertes Licht, Wärmebildkamera, 3D-Laserscanner, Radar, Ultraschall
- Überwachung einer Ebene im Arbeitsbereich: 2D-Laserscanner, druckempfindlicher Fußbodenbelag
- Maschinenzentrierte Überwachung: Drucksensoren, kapazitive Sensoren
- Aktive personenbezogene Verfahren: RFID, 6-DOF Inertialsensoren
Geeignete Sicherheitslösungen
Diese vergleichende Übersicht soll es erleichtern, die jeweils am besten geeigneten Sicherheitslösungen zu finden und frühzeitig in allen Planungen zu berücksichtigen.
Kamera- und Scannersysteme erscheinen in vielen Fällen als gut zur Personenerkennung geeignet, haben aber unterschiedliche Stärken und Schwächen. So zeigten sich z. B. auf Radar basierende Techniken stark bei der reinen Anwesenheitsbestimmung von Menschen. Selbst von anderen Objekten verdeckte Personen wurden erkannt. Wärmebildkameras dagegen stellten sich als vorteilhaft in schlecht beleuchteten Umgebungen heraus. 2D-Scanner und trittempfindliche Bodenbeläge können nicht zwischen Menschen und Objekten unterscheiden.
Auch in der Sensortechnik gibt es interessante Entwicklungen. Drucksensoren sind in der Lage, ein Maschinenteil oder einen Roboterarm innerhalb von Millisekunden abzustoppen. Kapazitive Sensoren erkennen – ähnlich wie Näherungsschalter – Änderungen an elektrischen Feldern. Ihr Signal kann dann eine potenziell verletzungsgefährliche Bewegung rechtzeitig vor einer Kollision abbremsen. Industrie- und Leichtbauroboter werden bereits mit solchen Systemen ausgestattet.
Erkennungsverfahren, bei denen der Beschäftigte selbst einen Sender mit sich trägt, der dann von einem Überwachungssystem erfasst wird, werden unter der Bezeichnung „aktive personenbezogene Verfahren“ zusammengefasst. Die RFID-Technologie (radio-frequency identification) über Radiowellen gilt jedoch als ungenau in Bezug auf einzelne Körperteile. Auch kann ein Einsatz datenschutzrechtliche Probleme aufwerfen. Die sogenannten 6-DOF Systeme (six degrees of freedom, sechs Freiheitsgrade) werden als ungeeignet bewertet, da zu umständlich zu implementieren und zu wenig genau über längere Zeiträume.
Der folgende Kasten fasst die zentrale Aussage der Studie zusammen.
„Die Stärken der flächenhaften Sensoren liegen in der räumlich-zeitlich hochaufgelösten Erfassung des gesamten Körpers einer Person, während die Stärken der zweidimensionalen, maschinenzentrierten oder aktiven Messprinzipien in der Zuverlässigkeit punktuellen Positionsbestimmung liegen.“ (BAuA-Bericht zum Projekt F 2322-2) |
Empfehlung: Verfahren der Personenerkennung kombinieren
Die BAuA-Forscher empfehlen, unterschiedliche Sensor und Messverfahren in einem in einem Multisensorsystem kombiniert einzusetzen, um so
- die Vor- und Nachteile der einzelnen Technologien auszugleichen,
- mehr Informationen pro Zeiteinheit zu erfassen und
- Ausfälle und Fehlmessungen zu kompensieren.
Der Bericht zeigt, wie viele unterschiedliche Ansätze es gibt, die kollaborative Zusammenarbeit zwischen Maschine und Mensch sicher zu gestalten. In Kombinationslösungen sehen die Experten das größte Potenzial für eine zuverlässige Personenerkennung.
Download-Hinweis:
Sichere Personenerkennung in der Mensch-Maschine-Interaktion (Bericht)
Sichere Personenerkennung in der Mensch-Maschine-Interaktion (Anwendungsmatrix im Excel-Format)
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