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Maschinenrichtlinie

„Wesentliche Veränderung“ von Maschinen: Es bleibt bei der Einzelfallprüfung

Bei der Frage nach einer „wesentlichen Veränderung“ einer Maschine geht es darum, ob und wann eine bereits gebrauchte Maschine infolge einer später erfolgten Änderung als neues Produkt anzusehen ist. Diese Frage ist deshalb so bedeutsam, weil an eine in diesem Sinne als neu zu bewertende Maschine weitreichende Anforderungen gestellt werden.

Denn die Maschine wechselt juristisch betrachtet gewissermaßen zurück von der Betriebssicherheitsverordnung zum Produktsicherheitsgesetz. Zu diesen Forderungen nach wesentlicher Änderung gehören:

Darum werden Maschinen verändert

Es gibt viele Gründe für das Verändern einer bereits in Betrieb genommenen Maschine, z.B.:

  • Erweiterung mit neuen technischen Funktionen
  • Nachrüstung von Zubehör- und Anbauteilen
  • modernisierte Sicherheits- und Schutzeinrichtungen
  • Erhöhung der Leistung
  • Einsatz neuer Betriebsstoffe
  • Ausstattung mit technisch modernen Bedien- und Überwachungselementen wie Monitoren oder drahtlosen Funktionen

Das Interpretationspapier des BMAS

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat am 9. April 2015 ein neues Interpretationspapier „Wesentliche Veränderung von Maschinen“ veröffentlicht. Eine frühere Version dieses Dokuments aus dem Jahr 2000 wurde damit auf den neuesten Stand gebracht. Erforderlich wurde dies durch das Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) und die neuesten Erkenntnisse der Risikobeurteilung. Das wichtigste Fazit des Interpretationspapiers: Auch wenn der Begriff „wesentlich verändertes Produkts“ in den neueren Rechtstexten nicht mehr auftaucht, bleibt der Sachverhalt der gleiche.

In Deutschland ist das Bereitstellen von Produkten auf dem Markt durch das Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) geregelt. Dieses hat im Jahr 2011 das damalige Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG) abgelöst. Unter anderem wurden dadurch Bußgelder erhöht und das behördliche Vorgehen bei Produktrückrufen neu definiert. Lesen Sie mehr zu den Rechtsgrundlagen für Produktsicherheit im Beitrag „Produktsicherheit“.

Auch Maschinen zählen zu den Produkten, die durch das Produktsicherheitsgesetz erfasst werden. Die Maschinenverordnung als „Neunte Verordnung zum ProdSG“ (9. ProdSV) regelt die Anforderungen, die jede Maschine erfüllen muss, bevor sie auf dem deutschen Markt bereitgestellt werden darf.

Entscheidend: Wann ist die Veränderung einer Maschine „wesentlich“?

Entscheidend war (und bleibt) die Frage, ab wann die Änderung (der Umbau, die Erweiterung, die Nachrüstung usw.) einer Maschine als „wesentlich“ zu bewerten ist. Das Geräte- und Produktsicherheitsgesetz ist in diesem Punkt sehr vage geblieben. Im neuen Produktsicherheitsgesetz kommt (für viele überraschend) der Begriff „wesentliche Veränderung“ gar nicht mehr vor.

Das neue vom BMAS vorgelegte Interpretationspapier „Wesentliche Veränderung von Maschinen“ versucht, etwas Licht ins Dunkel zu bringen. Das Dokument wurde als amtliche Bekanntmachung des BMAS vom 09.04.2015 im Gemeinsamen Ministerialblatt veröffentlicht und ist dort ab S. 183 nachzulesen. Auch ein direkter Download ist auf den Webseiten des BMAS möglich.

An der Erstellung des Interpretationspapiers waren u.a. die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, die DGUV als Dachverband der Unfallversicherungsträger sowie Industrieverbände wie der VDMA (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau) beteiligt.

Wesentliche Aussagen des Dokuments betreffen u.a. die folgenden Aspekte:

  • Die „Bereitstellung auf dem Markt“ (ProdSG) tritt an die Stelle des früheren Begriffs „Inverkehrbringen“ (GPSG).
  • Unter „Inverkehrbringen“ ist laut ProdSG nur noch die erstmalige Bereitstellung eines Produkts auf dem Markt zu verstehen.
  • Der Terminus des „wesentlich veränderten Produkts“ ist im ProdSG weggefallen.
  • Am bisherigen Sachverhalt (s.o.) hat sich nichts verändert.

„Wesentliche Änderung“ nur durch Prüfung im Einzelfall

Das Interpretationspapier gibt keine pauschal gültigen Kriterien, um den Grad der „Wesentlichkeit“ der Veränderung an einer Maschine per Checkliste abzuhaken. Gefordert wird eine Prüfung im Einzelfall, und zwar hinsichtlich neuer Gefährdungen oder erhöhter Risiken. Dabei werden drei Fälle unterschieden (s. Abb.).

Fallgestaltungen bei Veränderung einer gebrauchten Maschine
Wesentliche Veränderung von Maschinen
Quelle: Interpretation zum Thema „wesentliche Veränderung“ in Bezug auf Maschinen, BMAS, April 2015

Für die Fälle 1 und 2 (s. Abb.) sind laut Interpretationspapier keine zusätzlichen Schutzmaßnahmen notwendig. In Fall 3 muss jedoch eine (erneute) Risiko vorgenommen werden.

Als wesentlich wird eine Veränderung angesehen, wenn

  • die Maschine nach der Veränderung ohne zusätzliche Schutzmaßnahmen nicht mehr sicher ist und
  • eine ausreichende Risikominderung nicht durch einfache Schutzeinrichtungen erreicht werden kann

Eine nach diesen Kriterien wesentlich veränderte Maschine ist hinsichtlich Produktsicherheitsanforderungen wie eine neue Maschine zu behandeln. Das heißt, dass sämtliche Bestimmungen des ProdSG und der 9. ProdSV anzuwenden sind. Derjenige, welcher die Veränderung der Maschine verantwortet, wird zum Hersteller mit all den dazugehörenden Pflichten. Er muss sicherstellen, dass die umgebaute oder nachgerüstete Maschine den Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen gemäß Anhang I der Maschinenrichtlinie entspricht und – wie oben angedeutet – ein neues Konformitätsbewertungsverfahren samt vorgeschriebener technischer Dokumentation sicherstellen.

Alle relevanten Fakten zur Maschinenrichtlinie finden Sie hier.

0 Antworten auf „„Wesentliche Veränderung“ von Maschinen: Es bleibt bei der Einzelfallprüfung“

Sehr geehrte Leser*Innen,

diese Anfrage hat uns über einen anderen Kanal erreicht. Die Antworten sind sicherlich für viele Leser*Innen interessant, daher stellen wir sie hier als Kommentar ein. Die Fragen sind in Kursivschrift.

Kommt es zu Änderungen an der Maschine muss ein neues Konformitätsbewertungsverfahren durchgeführt werden.

Das kommt darauf an, ob eine so genannte „Wesentliche Veränderung“ der Maschine vorliegt.
Sh. dazu: https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Arbeitsschutz/interpretationspapier-veraenderung-maschinen.pdf?__blob=publicationFile&v=1

1. Ist es für den Fall , dass keine benannte Stelle beauftragt werden muss möglich, dass das Unternehmen, welches die Maschine im Betrieb hat, diese Konformitätsbewertung selber durchführt oder muss dies der Hersteller selbst durchführen?

Ja. Das Verfahren kann bzw. muss der Betreiber der Maschine durchführen. Der ursprüngliche Hersteller der Maschine kann natürlich auch damit beauftragt werden, wird dafür aber entsprechenden Kosten in Rechnung stellen.

2. Gibt es für den Fall, dass eine notifizierte / benannte Stelle beauftragt werden muss die Möglichkeit, dass ein interner Mitarbeiter ( vom Unternehmen, welches die Maschine im Betrieb hat) Schulungen absolviert um diese Bewertung durchzuführen bzw. auch im Fall einer komplett neuen Maschine diese Prüfung durchführt und die technische Dokumentation ausstellen kann, die CE-Kennzeichnung anbringt und die Konformitätserklärung verfasst.

Die Maschinenrichtlinie sieht für die allermeisten Maschinen das Konformitätsbewertungsmodul „Interne Fertigungskontrolle“ vor. Nur bei bestimmten, besonders gefährlichen Maschinen (Anhang IV MRL) ist ein anderes Verfahren mit Einschaltung einer benannten Stelle vorgesehen.
Wenn aber z.B. eine Baumusterprüfung durch eine benannte Stelle nötig ist, dann kann die nicht einfach durch einen internen Mitarbeiter durchgeführt werden. Allerdings bietet Anhang X mit dem dort beschriebene Verfahren der umfassenden Qualitätssicherung die Möglichkeit, Tätigkeiten ins Unternehmen zu holen (ist allerdings recht aufwendig).

3. Wie sind die Regeln bei der Konformitätserklärung für Gesamtanlagen.

Da ist zunächst mal zu prüfen, ob die Anlage eine so genannte „Gesamtheit von Maschinen“ im Sinne der MRL ist. Sh. https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Arbeitsschutz/interpretationspapier-gesamtheit-maschinen.pdf?__blob=publicationFile&v=1
Wir nur ein Teil davon wesentlich verändert, muss u.U. nicht die ganze Anlage neu bewertet werden.

4. Angenommen die Gesamtanlage besteht aus mehreren Maschinen unterschiedlicher Hersteller und eine Maschine wird geändert. Benötigt man dann eine Konformitätserklärung für die spezifische Anlage und eine für die Gesamtanlage?

Das kommt wie gesagt auf den konkreten Einzelfall an.

„Gesamtheit von Maschinen
Für die Veränderung einer Gesamtheit von Maschinen gelten die o.a. Grundsätze.
Betrifft die Veränderung bei einer Gesamtheit von Maschinen (z. B. komplexe Produktionsanlage oder integriertes Fertigungssystem), nur einen Teilbereich, so ist zu prüfen, inwieweit dies Auswirkungen auf die Gesamtheit (Anlage als Ganzes) hat.
Ist diese Veränderung selbst und sind deren Auswirkungen auf die Gesamtheit als wesentlich zu beurteilen, liegt eine wesentliche Veränderung der Gesamtheit von Maschinen vor.“

Interpretationspapier zum Thema „Wesentliche Veränderung von Maschinen“ am Ende.

5. Wer führt die Konformitätserklärung für die Gesamtanlage durch und gibt es hier die Möglichkeit dies von einem internen Mitarbeiter durchführen zu lassen?

Nach dem Inverkehrbringen durch den Hersteller ist in der Regel der Betreiber für die Anlage verantwortlich. Er muss also auch das Verfahren bei einer Änderung der Anlage verantworten. Das kann er in der Regel durch interne Mitarbeiter durchführen lassen, wenn diese das entsprechende Knowhow dafür haben.

Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.

Die entsprechenden Bewertungen, ob eine wesentliche Veränderung vorliegt und ob die Gesamtheit von Maschinen davon betroffen ist oder nur ein Teil der Anlage, ist nicht einfach und in der Regel eine Einzelfallentscheidung, die man entsprechend begründen können muss.
Da kann es hilfreich sein, einen externen Berater mit entsprechender Erfahrung hinzuzuziehen, wenn im eigenen Unternehmen kein CE-Verantwortlicher oder Arbeitsschützer mit entsprechendem Knowhow vorhanden ist.

Ansonsten gibt es natürlich auch die Möglichkeit, sich entsprechend weiterzubilden:

https://www.weka-akademie.de/produktsicherheit-ce-kennzeichnung/retrofit-und-automatisierung-von-altmaschinen-e897/

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