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Niederspannungs-Richtlinie

Die europäische Niederspannungsrichtlinie

Europäische Niederspannungsrichtlinie

Die Niederspannungsrichtlinie ist die wichtigste Rechtsvorgabe für die Sicherheit elektrisch betriebener Geräte in Europa. Die derzeit gültige Fassung 2014/35/EU hat im April 2016 die Vorgängerrichtlinie 2006/95/EG aus dem Jahr 2006 abgelöst. Der Anwendungsbereich und die Sicherheitsziele haben sich gegenüber der Vorgänger-Richtlinie 2006/95/EG nicht verändert. Grund für die jüngste Neufassung war die Anpassung an das „New Legislative Framework“ (NLF), den neuen Rechtsrahmen für die Vermarktung von Produkten in der EU. Nachfolgend die formalen Angaben zur aktuellen Niederspannungsrichtlinie im Steckbrief.

Die Fakten zur Niederspannungsrichtlinie

aktuelle FassungRichtlinie 2014/35/EU, vom 26. Februar 2014
aufgehobene ältere Fassungen Richtlinie 2006/95/EG  

Richtlinie 73/23/EWG

voller Titel Richtlinie 2014/35/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung elektrischer Betriebsmittel zur Verwendung innerhalb bestimmter Spannungsgrenzen auf dem Markt
abgekürzt als LVD für Low Voltage Directive  

NSR oder NSpRL für Niederspannungsrichtlinie

Aufbauin 29 Artikeln, u.a.
  • zu den Pflichten der Hersteller, Bevollmächtigten und Händler
  • zur Vermutung der Konformität auf der Grundlage harmonisierter oder nationaler Normen
  • zur EU-Konformitätserklärung und den Bedingungen zum Anbringen der CE-Kennzeichnung
  • zur Überwachung und Kontrolle der in der EU eingeführten elektrischen Betriebsmittel

plus 6 Anhängen, u.a. zu

  • den Sicherheitszielen
  • den Geltungsgrenzen
  • der internen Fertigungskontrolle

der EU-Konformitätserklärung

umgesetzt in deutsches Rechtdurch das Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) sowie  durch die Erste Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz (Verordnung über elektrische Betriebsmittel – 1. ProdSV)
  • veröffentlicht im BGBl. I S. 502 am 17. März 2016
  • in Kraft getreten am 20. April 2016 (wodurch die „Verordnung über die Bereitstellung elektrischer Betriebsmittel zur Verwendung innerhalb bestimmter Spannungsgrenzen auf dem Markt vom 11. Juni 1979“ außer Kraft gesetzt wurde)

Im Vergleich zur Maschinenrichtlinie (2006/42/EU) auf 63 Seiten in A4 oder zur Druckgeräterichtlinie (2014/68/EU) mit 164 Seiten ist die Niederspannungsrichtlinie mit gerade mal 11 Seiten plus 7 Seiten Anhänge recht kurz gefasst. Einer der Gründe dafür ist die umfassende Normung im Bereich der Elektrosicherheit von Betriebsmitteln und elektrischen Verbraucherprodukten.

Der zweifache Zweck der Niederspannungsrichtlinie

Laut Art. 1 hat die Niederspannungsrichtlinie zwei primäre Ziele:

  1. Sie soll ein hohes Schutzniveau für Gesundheit und Sicherheit von Menschen, Haus- und Nutztieren sowie Gütern sicherstellen.
  2. Sie soll den freien Warenverkehr für elektrische Betriebsmittel europaweit regeln und somit für ein Funktionieren des Binnenmarkts sorgen.

Vereinfacht auf den Punkt gebracht, gibt die Niederspannungsrichtlinie vor, dass elektrische Betriebsmittel nur dann in Verkehr gebracht werden dürfen, wenn sie – ordnungsgemäße Installation und Wartung vorausgesetzt – die Sicherheit und Gesundheit der Nutzer der elektrischen Geräte oder anderer Produkte nicht gefährden.

Durch Überlastung verschmortes Elektrogerät? Sollte gemäß Niederspannungsrichtlinie nicht vorkommen.
Durch Überlastung verschmortes Elektrogerät? Sollte gemäß Niederspannungsrichtlinie nicht vorkommen. (Bildquelle: Thinkstock)

Die Normung zur Niederspannungsrichtlinie

Die hehren Forderungen der Richtlinie bleiben zunächst abstrakt und wenig spezifisch. Wie die Schutzziele der Niederspannungsrichtlinie umgesetzt werden können, ist etwas konkreter in technischen Normen beschrieben. Die Niederspannungsrichtlinie ist eine von (bisher) 26 produktbezogenen europäischen Richtlinien, zu deren Umsetzung Normen benötigt werden. Diese EU-Richtlinien selbst geben keine technischen Spezifikationen im Detail vor. Die Richtlinien formulieren lediglich die grundlegenden Anforderungen an eine Produktkategorie wie in diesem Fall elektrische Betriebsmittel. Diese Anforderungen betreffen im Wesentlichen den Gesundheitsschutz der Produktnutzer und die Sicherheit bei der Verwendung bzw. dem Betrieb eines Produkts.

EN-Normen

Für die Umsetzung der Niederspannungsrichtlinie relevant sind insbesondere die EN-Normen (europäische Normen) mit Bezug zur Elektrosicherheit, die von verschiedenen Organisationen herausgegeben werden. Die Herkunft einer Norm lässt sich z.T. an ihrer Nummerierung erkennen:

EN 50000 bis EN 59999: Normen, die von CENELEC erarbeitet wurden (CENELEC = Europäisches Komitee für elektrotechnische Normung).

EN 60000 bis EN 69999: Normen, die in der IEC (Internationale Elektrotechnische Kommission) erarbeitet und von der CENELEC (teils mit Änderungen) übernommen wurden.

Grafik: Europäische Normen zur Elektrotechnik

Die europäischen Normen zur Elektrotechnik und Elektrosicherheit werden entweder von der CENELEC oder dem IEC erarbeitet.
Herkunft und Zählnummern der europäischen Normen zur Elektrotechnik

Harmonisierung auch bei den normativen Vorgaben für elektrische Betriebsmittel der Niederspannung

Damit die technischen Anforderungen EU-weit gleichermaßen und einheitlich auf gleichem Standard umgesetzt werden, müssen auch die normativen Vorgaben in allen Mitgliedsstaaten angepasst und „in Gleichklang“ gebracht werden. Dieses Prozedere der Angleichung und Vereinheitlichung des europäischen Normenwerks wird als Harmonisierung bezeichnet.

Eine Norm, die in allen EU-Ländern gilt und mit den jeweiligen Richtlinien konform ist, wird als harmonisierte Norm bezeichnet. Die Europäische Kommission veröffentlicht diese Harmonisierung von Normen stets im Amtsblatt der Europäischen Union. Damit ist eine Verbindlichkeit für die Mitgliedsstaaten verbunden. Wird eine Norm auf europäischer Ebene als harmonisierte Norm vorgelegt, muss jeder EU-Mitgliedsstaat sie als nationale Norm im eigenen Land umsetzen.

Auch im Bereich der Niederspannung greift die Konformitätsvermutung

Für herstellende Unternehmen – nicht nur von elektrischen Produkten – wichtig, ist im Zusammenhang mit der Anwendung von Normen die sogenannte Konformitätsvermutung. Konformitätsvermutung bedeutet: Wenn ein Hersteller sein Produkt gemäß den sogenannten harmonisierten Nomen (in diesem Fall zur Niederspannungsrichtlinie) entworfen und hergestellt hat, kann er davon ausgehen (= vermuten), dass dieses Produkt den grundlegenden Anforderungen der jeweiligen EU-Richtlinie (hier der Niederspannungsrichtlinie) entspricht. Titel und Bezugsnummern der harmonisierten Normen zur Niederspannungsrichtlinie werden im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht (zuletzt im Juli 2016).

Nationale Normung

Hat eine europäische Norm in ihrer deutschen Fassung den Status einer deutschen Norm erhalten, so wird sie mit DIN EN, gefolgt von einer Zahlenfolge, bezeichnet. Gleiches gilt analog in Österreich (ÖNORM EN… ) oder der Schweiz (SN EN… ). In Deutschland gibt es zudem die Besonderheit, dass in der Normenbezeichnung nach DIN außerdem eine VDE-Klassifikation (VDE = Verband Deutscher Elektrotechniker) folgen kann. Dies ist dann der Fall, wenn eine Norm sicherheitstechnische Festlegungen zur Elektrotechnik enthält und diese normativen Vorgaben gleichzeitig – und i. d. R. identisch – als VDE-Bestimmung oder VDE-Leitlinie in das VDE-Vorschriftenwerk übernommen wurden. Eine solche DIN-VDE-Norm ist somit gleichzeitig eine DIN-Norm wie auch eine VDE-Richtlinie bzw. VDE-Bestimmung.

Anders als in der Maschinenrichtlinie – dort als „Anfechtung einer harmonisierten Norm“ bezeichnet – ist es bei der Niederspannungsrichtlinie nicht vorgesehen, einen formellen Einwand gegen eine Norm zu erheben. Für Anregungen, Einwände und Diskussionen zu den normativen Vorgaben für elektrische Betriebsmittel ist die Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik im DIN und VDE (DKE) zuständig.

Der Anwendungsbereich: Wen und was betrifft die Niederspannungsrichtlinie?

Die Niederspannungsrichtlinie richtet sich nicht nur an den Hersteller, sondern auch an Bevollmächtigte, Importeure (bezeichnet als „Einführer“) und Händler. Diese sogenannten Wirtschaftsakteure werden in Artikel 2 definiert.

Für die Hersteller entscheidend ist der Geltungsbereich der Richtlinie, der in Art. 1, Abs. 2 klar definiert wird. Danach gilt die Richtlinie „für elektrische Betriebsmittel zur Verwendung bei einer Nennspannung

  • zwischen 50 und 1 000 V für Wechselstrom und
  • zwischen 75 und 1 500 V für Gleichstrom“.

Grafik: Der Geltungsbereich der Niederspannungsrichtlinie

Die Niederspannungsrichtlinie gilt für elektrische Produkte, die bei 50 bis 1000 V Wechselspannung oder bei 75 V bis 1.500 V Gleichspannung betrieben werden.
Anwendungsbereich der Niederspannungsrichtlinie

Hinweis: Der Leitfaden zur Niederspannungsrichtlinie (s.u.) weist darauf hin, dass sich die hier genannten Spannungsgrenzen auf die Spannung am Eingang oder Ausgang beziehen und nicht auf die Spannungen, die möglicherweise innerhalb des Betriebsmittels auftreten.

Ein Hersteller technischer Erzeugnisse muss demnach – unabhängig von Größe, Komplexität oder Verwendungszweck der Produkte – zunächst klären, welche seiner elektrischen Produkte unter die Niederspannungsrichtlinie fallen.

Der Geltungsbereich der Niederspannungsrichtlinie umfasst die meisten typischen Elektrogeräte aus Alltag und Beruf
Der Geltungsbereich der Niederspannungsrichtlinie umfasst die meisten typischen Elektrogeräte aus Alltag und Beruf (Bildquelle: Thinkstock).

Gemäß des Geltungsbereichs fällt der ganz überwiegende Teil aller Elektrogeräte, die uns im privaten Alltag wie im beruflichen Arbeitsumfeld begegnen, unter die Niederspannungsrichtlinie. Ob Rasierapparat, Tintenstrahldrucker, Kühlschrank, Winkelschleifer oder elektrisch betriebener Rasenmäher, auch Messgeräte, Schalt- und Steuergeräte, elektrische Motoren, Transformatoren und Generatoren. Die Richtlinie gilt zudem auch für Teile von Elektrogeräten wie Glühlampen, Sicherungen, Starter oder Schalter sowie Leitungen und Kabel.

Dass ein Produkt unter die Niederspannungsrichtlinie fällt, schließt jedoch nicht aus, dass auch weitere EU-Richtlinien zutreffen können. Bei Elektrogeräten betrifft dies z.B. häufig die EMV-Richtlinie (2014/30/EU) zur elektromagnetischen Verträglichkeit oder die RoHS-Richtlinie (2011/65/EU) zur Beschränkung gefährlicher Stoffe.

Grafik: Europäische Richtlinien für elektrische Betriebsmittel

Elektrische Produkte und Betriebsmittel können in den Anwendungsbereich mehrerer europäischer Richtlinien fallen.
Für ein Elektroprodukt können verschiedene EU-Richtlinien zutreffen.

Diese Produkte fallen aus dem Geltungsbereich

Dennoch gilt die Niederspannungsrichtlinie keineswegs für „alles, was einen Stecker hat“ oder elektrische Energie nutzt. Der Anhang II der Richtlinie listet einige Ausnahmen auf, die vom Geltungsbereich ausgeschlossen sind. Der Grund dafür liegt meist darin, dass diese Produktkategorie von anderen Richtlinien bereits erfasst wird. Als Ausnahmen genannt sind u.a.:

  • Elektrische Betriebsmittel zur Verwendung in explosiver Atmosphäre (erfasst über die ATEX-Richtlinie 2014/34/EU)
  • Elektro-radiologische und elektro-medizinische Betriebsmittel (erfasst durch die Richtlinie 93/42/EWG über Medizinprodukte)
  • Elektrische Teile von Personen- und Lastenaufzügen (Aufzugsrichtlinie 2014/33/EU)
  • Elektrizitätszähler (Richtlinie 2014/32/EU über Messgeräte)
  • Haushaltssteckvorrichtungen (Diese Ausnahme gilt nicht für spezielle Stecker und Steckdosen für den industriellen Einsatz.)
  • Vorrichtungen zur Stromversorgung von elektrischen Weidezäunen (sehr begrenzter Markt für Tierhalter)
  • spezielle elektrische Betriebsmittel zur Verwendung auf Schiffen, in Flugzeugen oder in Eisenbahnen
  • spezifisch angefertigte Erprobungsmodule, die ausschließlich von Fachleuten in Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen verwendet werden

Unter den Ausnahmen wird in der Richtlinie – etwas missverständlich – auch „Funkentstörung“ aufgelistet. Hier kann kaum gemeint sein, dass die Niederspannungsrichtlinie für technische Maßnahmen zur Funkentstörung nicht gelten würde. Aus der Überschrift „Betriebsmittel und Bereiche, die nicht unter diese Richtlinie fallen“ wird der Sinnzusammenhang deutlich und dass es hier um ausgenommene „Bereiche“ geht. Konkret: Bei einem elektrischen Betriebsmittel mit einer potenziellen Problematik hinsichtlich seiner elektromagnetischen Verträglichkeit muss das Produkt in diesem Aspekt (Bereich) die Anforderungen der EMV-Richtlinie erfüllen, andererseits bleiben jedoch die Sicherheitsvorgaben der Niederspannungsrichtlinie bestehen.

Eine WEKA-Arbeitshilfe zur Niederspannungsrichtlinie fragt die Ausnahmefälle und Umgebungsbedingungen ab.
Eine WEKA-Arbeitshilfe zur Niederspannungsrichtlinie fragt die Ausnahmefälle und Umgebungsbedingungen ab.

Die Abgrenzung von Maschinenrichtlinie und Niederspannungsrichtlinie

Das Abgrenzen der Anwendungsbereiche von Niederspannungsrichtlinie und Maschinenrichtlinie sorgt bisweilen für Verunsicherung. Die Maschinenrichtlinie nennt in Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe k die „elektrischen und elektronischen Erzeugnisse“, die vom Anwendungsbereich der Maschinenrichtlinie ausgenommen sind. Dies betrifft z.B. für den häuslichen Gebrauch bestimmte Haushaltsgeräte, Audio- und Videogeräte, informationstechnische Geräte, gewöhnliche Büromaschinen, Niederspannungsschaltgeräte und -steuergeräte sowie Elektromotoren. Alle in diesem Passus nicht genannten elektrischen Maschinen fallen in den Anwendungsbereich der Maschinenrichtlinie. Wenn eine solche Maschine aufgrund ihrer Stromversorgung auch im Geltungsbereich der Niederspannungsrichtlinie (s.o.) liegt, muss sie auch deren Anforderungen und Schutzziele erfüllen. Die EU-Konformitätserklärung darf dann jedoch nicht auf die Niederspannungsrichtlinie verweisen. Diese und weitere hilfreiche Informationen zum Thema Abgrenzung dieser beiden europäischen Richtlinien bietet der Leitfaden zur Maschinenrichtlinie in seinen §§ 63 bis 70.

Die 10 Schutzziele der Niederspannungsrichtlinie

Anhang 1 formuliert die Anforderungen an Schutz und Sicherheit in 10 Punkten, hier etwas vereinfacht zusammengefasst:

  1. Sicherheitskennzeichnung auf dem Produkt oder Hinweise im Begleitdokument.
  2. Sichere Verbindungen und Anschlüsse.
  3. Keine Gefahr bei bestimmungsgemäßer Verwendung und angemessener Wartung.
  4. Keine Gefahr bei direkter oder indirekter Berührung.
  5. Keine Gefahren durch Temperaturen, Lichtbogen oder Strahlungen.
  6. Schutz auch vor nicht elektrischen Gefahren.
  7. Eine der Beanspruchung angemessene Isolierung.
  8. Gefahrloses Standhalten bei der vorgesehenen mechanischen Beanspruchung.
  9. Keine Gefahr durch nicht mechanische Einwirkungen.
  10. Keine Gefahr durch vorhersehbare Überbelastungen.

Aus den Formulierungen der Auflistung werden zwei Aspekte deutlich. Erstens sind die Anforderungen nicht auf elektrische Sicherheit beschränkt. Der Hersteller muss explizit auch andere Gefährdungen, die von seinem elektrischen Produkt ausgehen können, in seiner Risikoanalyse berücksichtigen. Zweitens kommt es bei der Risikoabwägung auf die bestimmungsgemäße Verwendung, vorgesehenen Einsatzbedingungen und vorhersehbare Belastungen an.

CENELEC-Anleitung zur Risikobewertung von Niederspannungsprodukten

Das Europäische Komitee für elektrotechnische Normung (CENELEC) hat einen „Leitfaden für die sicherheitsrelevante Risikobeurteilung und Risikominderung für Niederspannungsbetriebsmittel“ veröffentlicht. Dieser richtet sich zwar zunächst an die Ersteller und Bearbeiter von Normen, liefert jedoch viele Hintergrundinformationen, die auch für den Hersteller sowie die Marktüberwachungsbehörden nützlich sind. Sie finden dort u.a. Hinweise für Fälle, in denen eine spezifische Norm fehlt.

CE-Kennzeichnung nach Niederspannungsrichtlinie

Die Artikel 12 f. befassen sich mit der Konformität elektrischer Betriebsmittel und wie diese nach Niederspannungsrichtlinie gekennzeichnet werden müssen. Für den Hersteller ergibt sich ein Vorgehen analog zur Maschinenrichtlinie:

Grafik: CE-Kennzeichnung nach Niederspannungsrichtlinie

Die CE-Kennzeichnung von Elektroprodukten erfolgt – analog zur Maschinenrichtlinie – in sechs Schritten.
CE-Kennzeichnung von Elektroprodukten in sechs Schritten
EU-Konformitätserklärung nach Niederspannungsrichtlinie 2014/35/EU
Muster einer EU-Konformitätserklärung nach Niederspannungsrichtlinie 2014/35/EU

Ein elektrisches Betriebsmittel, das die Anforderungen der Niederspannungsrichtlinie erfüllt, wird mit der CE-Kennzeichnung versehen. Das CE-Zeichen zeigt an, dass das damit gekennzeichnete elektrische Produkt den Bestimmungen der Niederspannungsrichtlinie und der 1. ProdSV entspricht.

In der aktuellen Fassung der Niederspannungsrichtlinie wurde die Rolle der Marktüberwachungsbehörden und deren Kontrollmöglichkeiten eher verstärkt. Bereits in der Präambel werden die Informations- und Nachweispflichten und die Rückverfolgbarkeit eines elektrischen Betriebsmittels thematisiert. Die Pflichten des Herstellers werden dann z.B. im neuen Teil (8) von Art. 6 präzisiert. Eine aktuelle, sorgfältige und vollständige Technische Dokumentation ist unverzichtbar. Im Übrigen richten sich die Informationspflichten, z.B. bei Bekanntwerden von neuen Risiken eines elektrischen Betriebsmittels, auch an Bevollmächtigte, Einführer und Händler.

Hinweis: Auch wenn sich durch die neue Niederspannungsrichtlinie keine wesentlichen neuen Anforderungen an die Sicherheit elektrischer Betriebsmittel ergeben haben, sollten auf der alten Richtlinie (2006/95/EG) bestehende Konformitätserklärungen entsprechend angepasst und aktualisiert werden.

Der Leitfaden zur Niederspannungsrichtlinie

Im November 2016 hat die Europäische Kommission einen Leitfaden zur Niederspannungsrichtlinie veröffentlicht, inzwischen liegt dieses nützliche Dokument auch in der deutschen Übersetzung vor. Die Inhalte dieses Leitfadens sind nicht verbindlich und ohne Rechtswirkung. Doch sie können eine wichtige Orientierung für die Konstruktionspraxis bieten. Denn in der Praxis taucht immer wieder die Frage auf, wie ein elektrisches Produkt der einen oder der anderen EU-Richtlinie zugeordnet wird.

Abgrenzungsfragen

Einige elektrische Betriebsmittel können z.B. gleichzeitig als Maschine im Sinn der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG aufgefasst werden. Dies betrifft viele weitere Richtlinien und „Grenzüberschreitungen“: Auch zur Richtlinie über Funkanlagen und Telekommunikationsendgeräte kann es Abgrenzungsfragen geben. Ein anderes Gerät kann in den Anwendungsbereich der Verordnung über Geräte zur Verbrennung gasförmiger Brennstoffe (2016/426/EU) fallen und gleichzeitig über elektrische Bauteile verfügen, für welche dann wiederum auch die Niederspannungsrichtlinie gilt. Gerade an diesem Beispiel wird die Relevanz der Niederspannungsrichtlinie deutlich, denn die Verordnung über Gasverbrauchseinrichtungen fokussiert auf Energieeffizienz und nicht auf Elektrosicherheit, daher kann auf das Anwenden der Niederspannungsrichtlinie nicht verzichtet werden. In solchen Fragen bietet der Leitfaden Unterstützung bei der Aufklärung.

Hinweis: Mit Abgrenzungsfragen und spezifischen Besonderheiten bestimmter elektrischer Produkte im Rahmen der Konformitätsbewertung befassen sich auch eine
  • Arbeitsgruppe der EU-Kommission namens LVD WP (Low Voltage Directive Working Party) sowie eine
  • unabhängige internationale Arbeitsgruppe namens LVD ADCO (Low Voltage Directive Administrative Cooperation Working Group).

Diese Gruppen veröffentlichen Empfehlungen und Berichte, die zwar keinen rechtsverbindlichen Status haben, bei bestimmten Fragestellungen aber sowohl von Herstellern wie von den Marktaufsichtsbehörden zurate gezogen werden können. Dabei geht es z.B. um die Markteinführung von Elektrofahrzeugen und den damit zusammenhängenden Ausrüstungsteilen wie Ladesäulen usw., um die Elektrik von Kleinschwimmbädern und mobilen Whirlpools oder um Verlängerungskabel mit Mehrfachsteckdosen. Die in der Regel englischsprachigen Dokumente und für betroffene Konstrukteure teils hochinteressante Dokumente sind öffentlich zugänglich.

Last, not least, fällt auf, dass der Leitfaden zur Niederspannungsrichtline sich mit konkreten Aussagen zu Risikoanalyse und Risikobewertung zurückhält. Statt dessen verweist er in § 60 lediglich auf den Blue Guide. Der Leitfaden macht an dieser Stelle jedoch eines deutlich: Das Anwenden von harmonisierten Normen entbindet den Hersteller keineswegs von seiner Pflicht zur Risikobewertung.

Alle Verfahren zur Konformitätsbewertung verlangen vom Hersteller eine Analyse der speziellen Risiken des Produkts, um die wesentlichen Gesundheits- und Sicherheitsanforderungen zu erfüllen, denn nicht alle Produkte stellen dieselben Risiken dar. Beispielsweise können Produkte neue Techniken enthalten, die es beim Entwurf einer harmonisierten Norm noch nicht gab.“ (Leitfaden zur Niederspannungsrichtlinie, § 60, Abs. 2)

Die Niederspannungsrichtlinie selbst verweist in diesem Zusammenhang auf die „Anwendung von Sicherheitsbestimmungen der internationalen Normen“ (Präambel (19)).

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