Ein innovatives, vielseitig nutzbares Werkzeug für mobileres und flexibleres Arbeiten … Mit virtueller Unterstützung die Effizienz betrieblicher Abläufe steigern: in der Logistik wie der Produktion, bei der Instandhaltung wie in der Weiterbildung … Was wurde nicht alles versprochen, als die ersten Datenbrillen auf den Markt kamen und CEOs allerorten von Virtual Reality schwadronierten. Inzwischen ist eine gewisse Ernüchterung eingetreten, so wie es auch um das zeitweise so gehypte Metaversum ruhiger geworden ist. Doch das bedeutet keineswegs, dass Unternehmen nicht von einem gezielten Einsatz der AR- und VR-Technologien profitieren könnten.

Datenbrillen werden zwar oft im Kontext von Digitalisierung und Automatisierung, Industrie 4.0 und Smart Factory genannt, doch das Konzept ist viel älter. Pioniere der Virtual Reality (VR) zeigten bereits in den 1950er-Jahren erste Entwürfe und die erste tatsächlich funktionierende VR-Brille wurde schon 1960 zum Patent angemeldet.
Hoffnungen und Rückschläge – das Auf und Ab der Datenbrillen
Noch vor ein zwei Jahrzehnten erschien das Potenzial für die neuen Hightech-Brillen riesig, dann kamen jedoch mehrere Rückschläge, bei denen gerade die Modelle der Big Player massiv in die Kritik gerieten. Die ab 2014 massiv gehypten Smartglasses von Google waren zu teuer, wenig überzeugend und datenschutzrechtlich bedenklich. Die ersten Nutzer mussten sich gar als „Glassholes“ verspotten lassen.
Facebook sah sich 2019 gezwungen, nach juristischen Auseinandersetzungen mit deutschen Behörden – es ging u.a. um die Kopplung der Nutzerkonten von Oculus und Facebook – den Verkauf seiner Oculus-Brillen hierzulande einzustellen.
Microsoft erlebte 2022 ein Debakel beim Einsatz seiner Kampfbrille für das US-Militär. Die überwiegende Mehrheit der Soldaten, die das Integrated Visual Augmentation System (IVAS) testeten, klagte schon nach wenigen Stunden über Kopfschmerzen, Augenprobleme und Übelkeit. Zudem erwies sich die Technik der Brille als schwerfällig und unzuverlässig, wie in einem Bericht des Pentagon nachzulesen ist.
Kein Wunder, dass nach solchen und ähnlichen Erfahrungen die Anfangseuphorie verflogen ist. Von 2021 bis 2023 war der weltweite Absatz von Virtual-Reality- und Augmented-Reality-Brillen laut den Daten von Statista sogar rückläufig. Einige (kleinere) Anbieter sind vom Markt verschwunden, andere entwickeln neue Modelle. Diese werden gleichzeitig immer leistungsfähiger und oft auch kostengünstiger. Damit zeichnen sich – losgelöst von früheren unrealistischen Erwartungen an einen Massenmarkt – immer mehr pragmatische Lösungen für einen gezielten Einsatz ab.
Fast jeder Fünfte nutzt bereits Datenbrillen
Insgesamt scheint das Interesse an der Nutzung von Datenbrillen zu steigen. Laut Zahlen von Bitkom Research zur Nutzung von AR und VR in Deutschland verwendeten 2022/23 rund 18 % der Befragten ab 16 Jahren zumindest hin und wieder privat eine Datenbrille. Und die Anzahl derjenigen, die eine Bereitschaft zeigen, künftig VR zu nutzen, hat sich seit 2019 verdoppelt.
Wichtigstes Einsatzfeld im privaten Umfeld sind Computerspiele; doch die zunehmende Verbreitung und Vertrautheit mit den Geräten, ihrer Handhabung und ihren Möglichkeiten wird auch die gewerblichen Nutzungsformen beflügeln. Daher könnte es mit Datenbrillen nun wieder bergauf gehen. Damit würden sich Datenbrillen in das bekannte Modell des Gartner Hype Cycle einordnen und auf den Gipfel der überzogenen Erwartungen und das Tal der Enttäuschungen könnte ein Plateau der Produktivität folgen. Ob und wie schnell dies eintrifft, wird auch davon abhängen, inwiefern es gelingt, auch dem gewerblichen Anwender praktikable Nutzungsmöglichkeiten zu verdeutlichen.
Dass immer neue Modelle, Bauformen, Gerätetypen und Fachbezeichnungen auftauchen, mag den Technofreak erfreuen. Doch die immer breitere Angebotspalette macht dem potenziellen Anwender einen Kaufentschluss und die konkrete Kaufentscheidung aber nicht leichter.
Multimedia-Brille, Wearable, Head Mounted Display …
Eine einheitliche und für Normung wie die Gesetzgebung maßgebliche Definition für Datenbrillen steht noch aus. Schon die unterschiedlichen und mehr oder weniger synonym verwendeten Bezeichnungen der Geräte machen die Vielfalt der Perspektiven deutlich.
- Smartglasses lassen an künstlich intelligente Gadgets für die Augen denken.
- Wearables betonen den Aspekt, dass das neue Hilfsmittel am Körper getragen werden kann.
- Multimedia-Brille deutet an, dass gleichzeitig verschiedene Sinne angesprochen werden können.
- Head Mounted Display (HMD) lässt dagegen nüchtern anklingen, dass es sich um ein am Kopf zu tragendes Anzeigegerät handelt.
- Das renommierte Gabler Wirtschaftslexikon legt den Fokus auf die IT-Komponente der Datenbrille und sieht sie als einen „mit Peripheriegeräten ergänzten Kleinstrechner, der am Kopf getragen und mit Augen und Händen gesteuert“ wird.
Abgesehen von übergreifenden Standards wie der DIN 92419 zu den Grundsätzen der ergonomischen Gestaltung assistiver Systeme steckt die Normung zu den Anforderungen an Datenbrillen noch in den Kinderschuhen. Doch dies ändert sich, wie z.B. die im Februar 2024 erschienene ISO/IEC 5927 zur „Sicherheit von Augmented und Virtual Reality – Anleitung zum sicheren Eintauchen, Einrichten und Verwenden“ zeigt – und mit weiteren Standardisierungen ist zu rechnen.
Adaptive Arbeitsassistenzsysteme
Aus Sicht von Ergonomen und Arbeitsmedizinern fallen Datenbrillen unter die sogenannten adaptiven Arbeitsassistenzsysteme. Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) nennt sie „kopfgetragene, digitale kognitive Assistenzsysteme“. Solche Systeme haben die Aufgabe, ihren Träger beim Bewältigen bestimmter Aufgaben gezielt zu unterstützen.
AR-Technologie
Eine zentrale und für viele industrielle Einsatzgebiete typische Funktion ist, dass die Datenbrille den gezielten und flexiblen Zugriff auf genau diejenigen Informationen ermöglicht, die der Datenbrillenträger gerade benötigt. Die Brille blendet diese Informationen – ob Zahlen, Grafiken oder Texte – in das Sichtfeld ihres Trägers ein. Dessen Wahrnehmung wird somit in Echtzeit um Informationen erweitert, die zu erhalten ansonsten, etwa über ein Tablet oder eine gedruckte Wartungsanleitung, deutlich mühevoller wäre. Man spricht daher auch von der AR-Technologie, wobei AR für Augmented Reality (erweiterte Wirklichkeit) steht.
VR-Technologie
Im Gegensatz dazu wird bei der VR-Technologie das Sichtfeld des Datenbrillenträgers komplett durch eine virtuell simulierte Umgebung ersetzt. Das Erlebnis ist daher intensiver. Psychologen sprechen von einer Immersion, dem völligen Eintauchen in eine andere, virtuelle Welt. Solche VR-Brillen sind eher aus der Computerspielbranche bekannt. Doch auch für Betriebe und Unternehmen werden vielversprechende Anwendungen entwickelt, etwa für Schulungen und Trainings.
Datenbrillen im Arbeits(schutz)recht
Arbeits(schutz)rechtlich gelten Datenbrillen – genauso wie eine Leiter, ein Akkuschrauber oder ein Monitor – als Arbeitsmittel gemäß Betriebssicherheitsverordnung.
Daraus folgt, dass sie nur nach einer Gefährdungsbeurteilung (u.a. zu Ergonomie, physischen und psychischen Belastungen) und Unterweisung der Nutzer zu Risiken und Schutzmaßnahmen verwendet werden dürfen. Ebenfalls zu nennen ist hier die Technische Regel für Betriebssicherheit (TRBS) 1151, die sich mit den Gefährdungen an der Schnittstelle „Mensch – Arbeitsmittel“ befasst. Ansonsten sind konkrete Vorgaben zur sicheren und gesundheitsgerechten Nutzung rar.
Noch nicht abschließend geklärt ist, inwiefern Datenbrillen unter die in der Arbeitsstättenverordnung in Abschnitt 6.4 Abs. 3 genannten „tragbaren Bildschirmgeräte“ fallen. Würde dies juristisch mit einem Ja bewertet, dürften Datenbrillen genau genommen „nur kurzzeitig verwendet“ werden. Unabhängig davon empfiehlt die DGUV, allen Mitarbeitenden, die Datenbrillen nutzen, eine arbeitsmedizinische Beratung und ggf. eine Untersuchung der Augen und des Sehvermögens anzubieten.
Technologien und Bauformen
Ein zentrales Unterscheidungsmerkmal von Datenbrillen ist der Grad des virtuellen Erlebens, oft erkennbar an einem der Kürzel AR, MR, VR oder XR.
AR-Brille
Der Träger einer AR-Brille (Augmented Reality) sieht seine reale Umgebung plus ein überlagertes Bild, das von der Brille erzeugt wird. Der Virtualitätsgrad ist somit begrenzt, der Datenbrillenträger erlebt sich kontinuierlich im Hier und Jetzt.
AR-Modelle eignen sich z.B. für den Einsatz bei der Montage, in der Logistik oder Instandhaltung. Die eingeblendeten, die Realität erweiternden Informationen lassen sich bedarfsangepasst anzeigen, z.B. Anleitungen durch Symbole und Texte, Grafiken wie Konstruktions- oder Schaltpläne oder auch 3-D-Modelle, z.B. einer Maschine. Statt AR werden auch die Begriffe Mixed Reality (MR) oder Assisted Reality verwendet.
VR-Brille
Bei einer VR-Brille wird dagegen die Umgebung komplett ausgeblendet, der Brillenträger erlebt sich in einer rein virtuellen Umgebung.
VR-Modelle werden eher für Schulungs- und Trainingszwecke eingesetzt. Der Nutzer erlebt sich darin als aktiv Handelnder, da die simulierte Umgebung unmittelbar auf seine Bewegungen reagiert. Als Übergriff für Augmented Reality, Virtual Reality und Mixed Reality findet man gelegentlich auch die Abkürzung XR (für Extended Reality).
Diese Breite an Nutzungsoptionen spiegelt sich in unterschiedlichen Bauformen. Es gibt offene Systeme, auch „see-through“ genannt, die wie eine übliche Lese- oder Korrekturbrille zu tragen sind. Demgegenüber stehen geschlossene Systeme, die an überdimensionierte Skibrillen erinnern. Offene Modelle können als monokulare Brille nur ein Auge betreffen oder als binokulare Brille beide Augen. Dabei kann die Anzeige einer Datenbrille transparent sein oder das Sichtfeld mehr oder weniger stark einschränken oder abdunkeln.
Je nach Modell werden zur Bedienung und Steuerung eine oder mehrere unterschiedliche Schnittstellen genutzt. Einige Datenbrillen lassen sich per Sprache oder Gesten steuern, andere über ein Touchpad oder externe Geräte wie Smartphones. Technologisch noch raffinierter ist das Bedienen per Eyetracking, auch an Brain-Computer-Interfaces wird bereits gearbeitet.
Mit jedem technischen Fortschritt wird die passgenaue Wahl für den Anwender nicht einfacher. Es ist nicht absehbar, dass es eine Art von Industriestandard-Datenbrille geben wird. Für den beruflichen Nutzer gilt stets, ein Modell zu finden, das am besten zu den Anforderungen und konkreten Aufgaben beim gewünschten Einsatz vor Ort passt.
Die Stärken von Datenbrillen in der Arbeitswelt
Das Potenzial für Datenbrillen ist unbestritten groß. Es ist viel davon zu hören, dass AR- und VR-Lösungen Produktionsprozesse optimieren, die Qualitätssicherung verbessern und die Effizienz der Fertigung steigern. Zwar fehlen derzeit noch belastbare Studien auf Basis von Ergebnissen aus der betrieblichen Realität, um dies nachzuweisen. Doch die Vorteile beim Arbeiten mit einer Datenbrille liegen im wahrsten Sinn des Wortes auf der Hand.
Als augenfälligster Pluspunkt beim Einsatz einer Datenbrille gilt, dass beide Hände frei bleiben. Denn sie müssen weder Stift und Papier noch ein Tablet, Diktiergerät, Smartphone, eine Betriebs- oder Montageanleitung o.Ä. ergreifen und halten. Datenbrillen erlauben somit ein beidhändiges und dadurch meist effizienteres Arbeiten. Sie sind zudem in der Lage, automatisch die Bewegungen, Aktivitäten und die Arbeitsumgebung zu verfolgen und können auf diese Weise die erforderlichen Informationen zielgenau und bedarfsgerecht in Echtzeit darstellen.
AR für Wartung, Logistik, Qualitätssicherung und Dokumentation
Als typisches Anwendungsfeld wird die Fernwartung und Ferninbetriebnahme von Maschinen und Anlagen genannt. Dabei kann sich z.B. der Spezialist eines Maschinenbauunternehmens aus der Ferne zuschalten und den Kunden bei der Störungssuche, Servicefällen und einfachen Reparaturen anleiten. Das ist zwar per Smartphone-Kamera theoretisch auch möglich, wird aber durch eine Datenbrille einfacher und effizienter. Fahrzeiten und Reisekosten fallen weg, Zeiten von Maschinenstillstand werden minimiert und personelle Engpässe – gerade bei den viel gefragten Wartungsspezialisten – lassen sich überbrücken. Räumliche Entfernungen verlieren an Bedeutung, sobald sich eine Aufgabe virtuell erledigen lässt.
Auch die Mitarbeiter vor Ort profitieren – etwa bei Wartungsaufgaben –, wenn sich eine Maschine als „digitaler Zwilling” darstellen lässt und Schaltpläne oder das Innenleben einer Anlage direkt vor dem Auge visualisiert werden, ohne dass man zu einem Tablet oder Monitor wechseln müsste. Auch Zusatzinformationen wie Warnmeldungen, Alarme und Verhaltenshinweise können bei Bedarf jederzeit eingeblendet werden.
Bei Qualitätskontrollen kann ein reales Bauteil per AR mit den CAD-Konstruktionsdaten abgeglichen werden, sodass der Träger der Brille z.B. schnell erkennt, ob jede Bohrung sitzt.
Bei der Montage kann eine Datenbrille – etwa anhand von QR-Codes – Komponenten identifizieren und dem Träger genau angeben, wo und wie das Teil montiert oder eingebaut werden soll. In komplexen Montagesituationen mit vielen unterschiedlichen Einzelteilen kann dies eine wertvolle Hilfe sein.
In der Lagerhaltung und Logistik wird das Kommissionieren mit Pick-by-Scan-Systemen durch Datenbrillen zu Pick-by-Vision erweitert. Die AR-Brille kann einen Lagerarbeiter auf dem kürzesten Weg zum Regal führen, der Lagerplatz wird durch ein optisches Signal sofort gefunden. Die Kamera der Brille kann nebenbei Barcodes oder QR-Codes erfassen, sodass nicht mal ein Handscanner mitgeführt werden muss.
Zustände dokumentieren, Fotos machen, Abläufe protokollieren, Messergebnisse festhalten – all das kann eine Datenbrille mit Sprachsteuerung „nebenbei“ erledigen. Diese Unterstützung wird dann besonders wertvoll, wenn aufgrund der Arbeitsumgebung – etwa Schmutz, Gefahrstoffe oder Hygieneanforderungen – Handschuhe getragen werden müssen und ein Wechseln zu weiterer Ausrüstung wie Stift, Notizblock, Diktiergerät oder Tablet umständlich wäre und die Arbeitsabläufe verzögert.
Wenn der Verkaufsraum zum Holodeck wird
Auch für den Vertrieb sind Datenbrillen nutzbar. Produkte, Maschinen und Anlagen lassen sich in 3-D und realitätsnah präsentieren. Das Erleben erinnert an den als Holodeck bekannten Umgebungssimulator aus der TV-Kultserie „Raumschiff Enterprise“. Können die Interessenten selbst über eine Datenbrille mit den virtuellen Modellen interagieren, sorgt dies für weitere Aufmerksamkeit. Gerade bei Objekten, die aufgrund ihrer Größe oder Komplexität nicht mal eben auf einem Messestand aufgebaut werden können, bieten Datenbrillen ganz neue Visualisierungslösungen und Präsentationsmöglichkeiten.
Gefahrlos in der virtuellen Welt trainieren
Datenbrillen können als sogenannte tutorielle Assistenzsysteme beim Erwerben neuer Kenntnisse und Fähigkeiten unterstützen. Sie lassen sich für virtuelle Rundgänge, Touren und Besichtigungen nutzen. Trainings per VR-Brille ermöglichen es, gefährliche Situationen gefahrlos und ressourcenschonend, aber dennoch lebensecht zu simulieren. Das Training lässt sich spezifisch anpassen und beliebig oft wiederholen.
Die virtuelle Umgebung muss nicht zwangsläufig – wie typischerweise in Computerspielen und in vielen Filmen (Matrix, Avatar u.a.) thematisiert – eine fiktive und rein computergenerierte Welt zeigen. Auch eine reale Situation lässt sich über die VR-Brille wiedergeben, z.B. eine 360-Grad-Panoramaaufnahme einer Arbeitsumgebung. Da die meisten Daten aus Architektur und Infrastruktur von Gebäuden längst digital vorliegen, sind ganze Industriekomplexe in 3-D generierbar.
Diese digitalen Zwillinge realer Situationen lassen sich etwa für das Training zum Verhalten in Brandfällen, bei Störungen oder Rettungsmissionen nutzen. So könnte z.B. eine Werksfeuerwehr gefahrlos Brandszenarien üben, und zwar in der per Datenbrille eingeblendeten realen Umgebung mit den eigenen Fahrzeugen und eigener Ausrüstung usw. Läuft es nicht rund, wird einfach das Programm neu gestartet – ohne den Aufwand, eine reale Löschübung erneut anzusetzen.
Mitarbeiter oder Kunden können Erfahrungen sammeln und Erlebnisse machen, ohne dass dafür reale Maschinen oder Anlagen bereitgestellt werden müssten. KI-unterstützt werden auch die Optionen für authentische interaktive Simulationen der Arbeitssituation immer leistungsfähiger. Darüber hinaus sollen Mitarbeitende mit Handicaps per Datenbrille bessere Möglichkeiten zur Inklusion und Teilhabe am Berufsleben erhalten.
Bislang lassen sich visuelle Informationen vergleichsweise leicht realitätsnah darstellen, mit entsprechender Technik auch akustische Elemente. Doch die in realen Situationen ebenfalls erlebten weiteren Sinne wie Haptik oder Gerüche fehlen. Daher ist stets zu hinterfragen, inwiefern sich eine virtuelle Lernerfahrung voll in die reale Welt übertragen lässt und welche Szenarien zusätzlich real trainiert werden müssen.
Potenzielle Risiken für den Nutzer einer Datenbrille
Das Arbeiten mit Datenbrillen darf nicht zulasten der Gesundheit oder Arbeitssicherheit gehen. Auch wenn konkrete Regelungen und Vorgaben im Arbeitsschutzrecht noch rar sind, bleibt das menschengerechte, ergonomische und sichere Arbeiten oberstes Ziel.
Unter Arbeitsmedizinern werden für den beruflich bedingten Einsatz von Datenbrillen die folgenden Aspekte diskutiert:
- Die Beanspruchung der Augen ist hoch. Der Blickwechsel zwischen der realen und der künstlichen Welt strengt die Augen an, denn sie müssen ständig zwischen nah und fern neu fokussieren. Die Augen können dadurch ermüden und „brennen“.
- Je nach Gewicht kann eine Datenbrille die Nackenmuskulatur belasten, Verspannungen und Kopfschmerzen sind möglich.
- Motion Sickness (auch „VR Sickness“, Cybersickness oder Simulatorkrankheit genannt) zeigt sich als Übelkeit und Schwindel. Zugrunde liegt eine natürliche Reaktion unseres Gehirns, wenn zwei Sinneseindrücke nicht übereinstimmen. Das ist ein typischer Fall beim Arbeiten in virtuellen Umgebungen, wenn z.B. die Augen eine Bewegung anzeigen, das Gleichgewichtsorgan im Innenohr jedoch Stillstand registriert. Das Gehirn reagiert dann – ähnlich wie bei Seekrankheit – mit Übelkeit und Schwindel. Bei diesen Beschwerden gibt es individuelle Unterschiede, nicht jeder ist für das Arbeiten mit einer Datenbrille geeignet.
Nicht zu vernachlässigen ist der Aspekt der Sicherheit. Mit AR-Brille ist das Blickfeld kleiner und mehr oder weniger eingeschränkt, die Gefahr von Stolperunfällen kann zunehmen. Mit VR-Brille wird die reale Welt nicht mehr wahrgenommen: Wie wird der Träger dann bei einem Feueralarm reagieren?
Daneben werden auch Fragen der Akzeptanz diskutiert und wann eine technische Assistenz zur Bevormundung wird. Dazu kommen die Anforderungen an Datenschutz und Privatsphäre. Je nach Modell verfügt eine Datenbrille über jede Menge Sensoren und Aufnahmefunktionen, die es ermöglichen, unbemerkt Fotos oder Videos von der Umgebung zu machen.
Kriterien bei der Anschaffung einer Datenbrille
Unbestritten ist, dass ein Brillenmodell nicht nur zur Arbeitsaufgabe passen muss, sondern auch menschengerecht zu gestalten und zu nutzen ist. Dabei sind folgende Aspekte von Bedeutung und vor einer Kaufentscheidung sorgsam zu prüfen:
- Technik: gewünschte Funktionen, Modell, Brillentyp, Virtualitätsgrad, Hard- und Software, Akkulaufzeit, Kompatibilität mit der vorhandenen IT-Umgebung
- Nutzerfreundlichkeit: Gewicht, Bedienbarkeit, Tragekomfort; Strahlung, Blendung, Wärmeentwicklung, individuelle Einstellmöglichkeiten, z.B. für den Pupillenabstand, Zeitaufwand für das Einstellen der Brille, Nutzbarkeit für fehlsichtige Mitarbeitende
- Praxistauglichkeit: Robustheit und Praktikabilität, Eignung für das Einbinden in bestehende Arbeitsabläufe und Umgebungsbedingungen, z.B. Einsatz bei schwierigen Lichtverhältnissen (Gegenlicht, Blendung), Schmutz, Feuchtigkeit, Lärm und ggf. weiteren Gefährdungen wie etwa explosionsfähigen Atmosphären; Kombinierbarkeit mit ggf. notwendiger PSA wie Schutzbrille, Helm, Gehörschutz
Bei den Kosten ist neben der Anschaffung auch der Aufwand für die Schulung der Nutzer zu beachten sowie die Anzahl der benötigten Brillen. Mediziner empfehlen, dass aus Hygienegründen und zum Infektionsschutz eine Datenbrille möglichst nur von jeweils einer Person benutzt werden sollte.
Noch kein Massenmarkt, aber praktikable Lösungen
Laut einer Umfrage des Branchenverbands Bitkom aus dem Jahr 2022 nutzen Unternehmen VR oder AR bislang vor allem für die Weiterbildung. Auch im Marketing, bei Messeauftritten und in der Fernwartung kommen die Techniken bereits zum Einsatz.
Es wird erwartet, dass VR- und AR-Anwendungen in Zukunft immer öfter für Konstruktion und Planung genutzt werden. Zwar ist der ganz große Boom ausgeblieben und den Massenmarkt haben die VR- und AR-Brillen noch nicht erobert. Aber die Technik ist so weit, dass es für bestimmte Anwendungen immer praktikablere Lösungen gibt. Eine gute Nachricht aus Sicht aller Interessenten ist, dass trotz großer Unterschiede bei den Anschaffungskosten das Preis-Leistungs-Verhältnis der Modelle insgesamt immer besser wird.
Weiterführende Informationen, Studien und Leitfäden
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: Rechtliche Anforderungen an den Datenschutz bei adaptiven Arbeitsassistenzsystemen
Bitkom: Augmented und Virtual Reality – Potenziale und praktische Anwendung immersiver Technologien
Bitkom: Augmented und Virtual Reality im Unternehmen einführen
DGUV, Fachbereich Handel und Logistik (FBHL-023): Forschungsprojekt: Auswirkungen von Datenbrillen auf den Menschen
DGUV, Fachbereich Handel und Logistik (FBHL-009): Arbeitsschutzgerechter Einsatz von Datenbrillen − FAQ, Checklisten